Galater 4 – Erben und Knechte, Gnade und Recht

A. Wir sind nicht länger den Grundsätzen verpflichtet, wir sind Gottes Kinder

1. Die Erklärung und Anwendung des Vergleiches eines Kindes mit einem Knecht

Galater 4, 1-3

Galater 4, 1-3
Ich sage aber: Solange der Erbe unmündig ist, besteht zwischen ihm und einem Knecht kein Unterschied, obwohl er Herr aller Güter ist; sondern er steht unter Vormündern und Verwaltern bis zu der vom Vater festgesetzten Zeit. Ebenso waren auch wir, als wir noch unmündig waren, den Grundsätzen der Welt als Knechte unterworfen.

  1. Solange der Erbe unmündig ist: Das Wort unmündig lässt an einen Minderjährigen denken. Es deutet hier aber nicht auf ein bestimmtes Alter hin, sondern eher auf jemanden, der noch nicht rechtlich als mündig anerkannt wurde.
    1. Sowohl in der jüdischen als auch in der griechischen Kultur gab es bestimmte ‚Volljährigkeitszeremonien‘, bei denen ein Junge aufhörte, unmündig zu sein, und anfing, ein Mann zu sein, mit allen gesetzlichen Rechten als Erbe.
    2. Im römischen Brauch gab es kein bestimmtes Alter, in dem der Sohn zum Mann wurde. Es geschah, wenn der Vater dachte, der Junge sei reif dafür. Dass Paulus den Ausdruck bis zu der vom Vater festgesetzten Zeit verwendete, zeigt, dass er eher den römischen Brauch des ‚Erwachsenwerdens‘ im Sinn hatte als den jüdischen Brauch.
    3. „Ein römisches Kind wurde beim heiligen Familienfest erwachsen, bekannt als die Liberalia, das jährlich am 17. März abgehalten wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Kind formell vom Vater als sein anerkannter Sohn und Erbe adoptiert und erhielt die toga virilis anstelle der toga praetexta, die es zuvor getragen hatte.“ (Boice)
    4. „Es gab einen römischen Brauch, dass an dem Tag, an dem ein Junge oder ein Mädchen erwachsen wurde, der Junge Apollo seinen Ball und das Mädchen Apollo seine Puppe anbot, um zu zeigen, dass sie die kindlichen Dinge abgegeben hatten.“ (Barclay)
  2. Besteht zwischen ihm und einem Knecht kein Unterschied, obwohl er Herr aller Güter ist: Denken Sie an einen wohlhabenden Haushalt der Antike, mit einem kleinen Jungen, der dazu bestimmt ist, alle Besitztümer seines Vaters zu erben. Wenn der Junge noch ein Kind ist, hat er tatsächlich weniger alltägliche Freiheit und Autorität als ein hochrangiger Knecht (oder Sklave) im Haushalt. Dennoch ist es ihm bestimmt, alles zu erben, dem Knecht jedoch nicht.
    1. Tatsächlich steht er bis zu der vom Vater festgesetzten Zeit unter der strengen Obhut von Vormündern und Verwaltern.
  3. Ebenso: Jetzt kommt der Vergleich mit unserem eigenen geistlichen Zustand. Wir sind Söhne Gottes durch den Glauben an Christus Jesus (Galater 3, 26), und wir sind Erben nach der Verheißung (Galater 3, 29). Das Gesetz war unser Lehrmeister (Galater 3, 24-25), der über uns wachte, als wir noch ‚Kinder‘ waren. Die Wirkung des Gesetzes auf unsere lasterhafte Natur bestand darin, uns den Grundsätzen der Welt als Knechte zu unterwerfen.
  4. Grundsätze der Welt: Paulus verwendet hier eine interessante Formulierung. „Um sie zu beschreiben, benutzt Paulus das Wort stoicheia. Ein stocheion war ursprünglich eine Reihe von Dingen; es kann zum Beispiel eine Reihe von Soldaten bedeuten. Aber die Bedeutung dieses Wortes entwickelte sich, bezeichnete später das ABC und dann jede Art von elementarem Wissen.“ (Barclay)
    1. Cole übersetzt das Konzept: „So wurden auch wir, als wir ‚kleine Kinder‘ waren, in Sklaverei gehalten vom ABC des Universums.“
    2. Das Konzept des ‚ABC des Universums‘ ist wichtig. Wenn es ein ‚ABC des Universums‘ (Grundprinzip) gibt, von dem wir uns lösen müssen, und das in der heidnischen Religion ebenso betont wird wie im jüdischen Recht, dann ist es das Prinzip von Ursache und Wirkung. Man mag es Karma nennen oder „jeder bekommt, was er verdient“ oder etwas anderes; dennoch beherrscht es die Natur und den Verstand der Menschen. Wir leben in der Vorstellung, dass wir bekommen, was wir verdienen; wenn wir gut sind, verdienen wir, Gutes zu empfangen, und wenn wir schlecht sind, verdienen wir, Schlechtes zu empfangen.
    3. Paulus forderte die Galater auf, über dieses ‚ABC des Universums‘ hinauszugehen und ein Verständnis von Gottes Gnade zu entwickeln. Die Gnade widerspricht diesem ‚ABC des Universums‘, weil Gott unter der Gnade mit uns nicht auf der Grundlage dessen umgeht, was wir verdienen. Unser Gutes kann uns unter der Gnade nicht rechtfertigen; unser Böses muss uns nicht verdammen. Gottes Segen und seine Gnade wird auf der Grundlage eines Prinzips gegeben, das sich völlig vom ‚ABC des Universums‘ unterscheidet. Sein Segen und seine Gunst werden uns aus Gründen gegeben, die völlig in ihm selbst liegen und nichts mit uns zu tun haben.
    4. Das ‚ABC des Universums‘ ist an sich nicht schlecht. Wir müssen es im Leben verwenden und tun es auch und Gott hat einen angemessenen Platz dafür. Aber wir dürfen unsere Beziehung zu Gott nicht auf dieses Prinzip gründen. Da wir jetzt unter der Gnade stehen, behandelt er uns nicht nach dem Prinzip der Werkgerechtigkeit. Weil dies ein so grundsätzliches Prinzip ist, ist es für uns so schwer, an dieser Art von Denken zu rütteln. Aber es ist maßgeblich, wenn wir in der Gnade wandeln wollen. Wenn wir nach dem Prinzip der Werkgerechtigkeit vor Gott leben, leben wir den Grundsätzen der Welt als Knechte unterworfen.
    5. Eine Lehre nach den Grundprinzipien der Welt ist falsch und entspricht nicht der Lehre Jesu (Kolosser 2, 8). Mit Jesus sterben wir nach den Grundsätzen der Welt (Kolosser 2, 20).

2. Die Befreiung der Erben aus ihrer Knechtschaft

Galater 4, 4-5

Galater 4, 4-5
Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan, damit er die, welche unter dem Gesetz waren, loskaufte, damit wir die Sohnschaft empfingen.

  1. Als aber die Zeit erfüllt war: Der Ausdruck ‚die Zeit erfüllt‘ bedeutet „als die Zeit reif war“. Jesus kam genau zur rechten Zeit in Gottes Erlösungsplan, als die Welt perfekt auf Gottes Werk vorbereitet war.
    1. Aber führt einen Kontrast ein. Die Kontrolle der Grundprinzipien war nur für eine begrenzte Zeit.“ (Morris). Für diejenigen, die unter der Knechtschaft des Gesetzes standen, mag es so aussehen, als ob Jesu Kommen spät war. Paulus versichert uns, dass es genau zur richtigen Zeit war.
    2. „Es war eine Zeit, in der sich die Pax Romana über den größten Teil der zivilisierten Welt erstreckte und in der Reisen und Handel daher in einer Weise möglich waren, die zuvor unmöglich gewesen war. Große Straßen verbanden das Reich der Cäsaren, und seine verschiedenen Regionen wurden durch die allgegenwärtige Sprache der Griechen weitaus stärker miteinander verbunden. Fügt man die Tatsache hinzu, dass die Welt in einen moralischen Abgrund versank, der so tief war, dass sogar die Nichtjuden dagegen aufschrien, und dass der geistliche Hunger überall offenkundig war, so hat man einen perfekten Zeitpunkt für das Kommen Christi und für die frühe Ausbreitung des christlichen Evangeliums.“ (Boice)
    3. Die Zeit war auch deshalb reif, weil die von Daniel prophezeiten 483 Jahre sich dem Ende näherten (Daniel 9, 24-26).
  2. Sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau: Jesus kam nicht nur als Sohn Gottes, sondern auch geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan. Der ewige Sohn Gottes im Himmel fügte seiner Göttlichkeit die Menschlichkeit hinzu und wurde ein Mann, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan.
    1. Geboren von einer Frau kann ein versteckter Hinweis auf die Jungfrauengeburt sein, denn Paulus sagt niemals, dass Jesus von einem Mann geboren wurde. „Der allgemeinere Begriff ‚Frau‘ bedeutet, dass Christus als wahrer Mann geboren wurde. Paulus sagt nicht, dass Christus von Mann und Frau geboren wurde, sondern nur von einer Frau. Dass er die Jungfrau im Sinn hat, ist offensichtlich.“ (Luther)
  3. Damit er die, welche unter dem Gesetz waren, loskaufte: Weil Jesus Gott ist, hat er die Macht und die Mittel, uns loszukaufen. Weil Jesus Mensch ist, hat er das Recht und die Fähigkeit, uns zu erlösen. Er ist gekommen, um uns vom Sklavenmarkt frei zu kaufen, von unserer Knechtschaft zu sündigen und den Grundsätzen der Welt.
    1. John Newton, der Mann, der die populärste und berühmteste Hymne Amerikas, Amazing Grace, schrieb, wusste sich daran zu erinnern. Er war ein Einzelkind, dessen Mutter starb, als er erst sieben Jahre alt war. Er wurde Seemann und fuhr mit elf Jahren aufs Meer hinaus. Als er erwachsen wurde, wurde er Kapitän eines Sklavenschiffs und hatte aktiv Anteil an den schrecklichen Erniedrigungen und der Unmenschlichkeit des Sklavenhandels. Aber als er dreiundzwanzig Jahre alt war, am 10. März 1748, als sein Schiff vor der Küste Neufundlands in unmittelbarer Gefahr war, zu sinken, schrie er zu Gott um Gnade, und er fand sie. Er vergaß nie, wie erstaunlich es war, dass Gott ihn aufgenommen hatte, so schlecht er auch war. Um sich daran zu erinnern, befestigte er an der Wand über dem Kaminsims seines Arbeitszimmers die Worte aus 5. Mose 15, 15: Und denke daran, dass du ein Knecht warst im Land Ägypten und dass der Herr, dein Gott, dich erlöst hat. Wenn wir dies in Erinnerung behalten, was wir einst waren und wer wir jetzt in Jesus Christus sind, werden wir unsere Sache gut machen.
  4. Damit wir die Sohnschaft empfingen: Es würde genügen, dass wir vom Sklavenmarkt freigekauft werden. Aber Gottes Arbeit für uns endet damit nicht; dann werden wir noch durch das Empfangen der Sohnschaft an die Stelle von Söhnen und Töchtern Gottes erhoben.
    1. Jeder Mensch ist ein Kind Gottes in dem Sinne, dass er sein Nachkomme ist (Apostelgeschichte 17, 28-29). Doch nicht jeder Mensch ist ein Kind Gottes im Sinne dieses engen Adoptivverhältnisses von dem Paulus hier schreibt. In diesem Sinne gibt es Kinder Gottes und Kinder des Teufels (Johannes 8, 44).
    2. Paulus denkt wahrscheinlich an den römischen Brauch der Adoption, bei dem adoptierte Söhne absolut gleiche Privilegien in der Familie und den gleichen Status als Erben erhielten.
    3. In gewissem Sinne ist dies ein völlig unverdienter Segen, den Gott im Laufe der Erlösung gegeben hat, und eine Demonstration seiner wahren und tiefen Liebe zu uns. Wir können uns jemanden vorstellen, der einem anderen hilft oder ihn rettet, aber nicht so weit gehen würde, ihn zu einem Teil seiner Familie zu machen – das jedoch ist es, was Gott für uns getan hat.
    4. Wir empfangen die Adoption als Söhne; wir erhalten sie nicht zurück. In diesem Sinne gewinnen wir in Jesus etwas, das größer ist als das, was Adam jemals hatte. Adam wurde nie als Sohn Gottes adoptiert, so wie es Gläubige sind. Wir irren also, wenn wir die Erlösung lediglich als eine Wiederherstellung dessen betrachten, was mit Adam verloren ging. Uns wird in Jesus mehr gewährt, als Adam je hatte.

3. Unsere Sohnschaft feiern

Galater 4, 6-7

Galater 4, 6-7
Weil ihr nun Söhne seid, hat Gott den Geist seines Sohnes in eure Herzen gesandt, der ruft: Abba, Vater! So bist du also nicht mehr Knecht, sondern Sohn; wenn aber Sohn, dann auch Erbe Gottes durch Christus.

  1. Weil ihr nun Söhne seid … Abba, Vater! Es ist angemessen, dass diejenigen, die tatsächlich Söhne sind, den Geist des Sohnes in ihrem Herzen tragen. Das gibt uns sowohl das Recht als auch die Fähigkeit, „Papa!“ zu Gott, unserem Vater, zu rufen, so wie Jesus es bei seinem Vater tat.
    1. Einige meinen, das Verständnis der Übersetzung von Abba als ‚Papa‘ sei zu intim, ja sogar unpassend. Cole schreibt über Abba: „Obwohl es das übliche informelle Wort war, das ein Kind zu Hause für seinen Vater benutzte, ist es zu gefühlsbetont, es mit ‚Papa‘ zu übersetzen.“
    2. Aber wie Boice hervorhebt: „Die frühen Kirchenväter – Chrysostomos, Theodor von Mopsuestia und Theodoret von Zypern, die aus Antiochien kamen (wo Aramäisch gesprochen wurde und die wahrscheinlich in ihrer Kindheit aramäisch sprechende Kindermädchen hatten) – bezeugen einstimmig, dass Abba die Anrede eines kleinen Kindes an seinen Vater war.“
    3. Abba ist eine aramäische, liebevolle Koseform für ‚Vater‘, der in der Intimität des Familienkreises verwendet wird; er ging ohne Änderung in den Wortschatz der griechischsprachigen Christen über.“ (Fung)
    4. Wir haben Zugang zu der gleichen Intimität mit Gott dem Vater, die Gott, der Sohn, Jesus Christus, hatte. Jesus sprach Gott den Vater als ‚Vater‘ an, als er betete, Abba, Vater, wie in Markus 14, 36 aufgezeichnet.
  2. Der ruft: Abba, Vater! Wir flüstern nicht ‚Papa‘, als ob wir zögern würden, so liebevoll zu sprechen. Stattdessen rufen wir es aus.
    1. Calvin bemerkt zum Rufen: „Ich bin der Meinung, dass dieser Begriff benutzt wird, um große Kühnheit auszudrücken. Die Unsicherheit lässt uns nicht ruhig sprechen, sondern hält den Mund halb geschlossen, sodass die halb gebrochenen Worte einer stammelnden Zunge kaum entweichen können. Im Gegensatz dazu ist Rufen ein Zeichen von Sicherheit und unerschütterlichem Vertrauen“.
    2. „Lasst das Gesetz, die Sünde und den Teufel gegen uns schreien, bis ihr Aufschrei Himmel und Erde erfüllt. Der Geist Gottes schreit sie alle an. Unser schwaches Stöhnen, ‚Abba, Vater‘, wird eher von Gott gehört als der vermischte Lärm von Hölle, Sünde und Gesetz.“ (Luther)
  3. Gott hat den Geist seines Sohnes in eure Herzen gesandt: Wir wissen, dass wir die Söhne und Töchter Gottes sind, durch das Zeugnis des Heiligen Geistes in uns. Wie Paulus in Römer 8, 16 schreibt: Der Geist selbst gibt Zeugnis zusammen mit unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind.
    1. „So war es Gottes Absicht, unsere Sohnschaft nicht nur durch seinen Sohn zu sichern, sondern uns durch seinen Geist davon zu überzeugen. Er sandte seinen Sohn, damit wir den Status der Sohnschaft erhielten, und er sandte seinen Geist, damit wir diese Erfahrung machen konnten.“ (Stott)
    2. Wir dürfen auch nicht übersehen, wie die Wahrheit der Dreifaltigkeit in den Text eingewoben ist: Gott der Vater sendet Gott, den Heiligen Geist in unsere Herzen. Der Heilige Geist ist der Geist des Sohnes. Gott sendet den Heiligen Geist, um uns die Gewissheit zu geben, dass wir die Söhne und Töchter Gottes sind.
  4. Der Geist seines Sohnes: Der Heilige Geist kann der Geist Gottes, der Geist Christi oder mit Gott dem Vater verbunden genannt werden. Das liegt daran, dass das Wesen Gottes unter den Personen der Dreifaltigkeit einheitlich ist. Hier wird der Heilige Geist der Geist seines Sohnes genannt, weil das Konzept unserer Sohnschaft auf der Sohnschaft Jesu beruht.
    1. Unsere Sohnschaft basiert darauf, wer wir in Jesus sind, und doch gibt es wichtige Unterscheidungen zwischen unserer Sohnschaft und der Sohnschaft Jesu. Er ist der einzige eingeborene Sohn (Johannes 3, 16), was für die
      Natur seiner Sohnschaft bedeutend ist. Wir sind adoptierte Söhne und Töchter Gottes, die durch ein gesetzliches Dekret Gottes zu seinen Kindern gemacht wurden.
  5. So bist du also nicht mehr Knecht, sondern Sohn: Söhne sind niemals Knechte, und Knechte sind niemals Söhne im Haus ihres Vaters. Jesus veranschaulichte dies in dem Gleichnis vom verlorenen Sohn, in dem der Sohn entschlossen war, als Knecht zu seinem Vater zurückzukehren – der Vater sich jedoch weigerte und ihn nur als Sohn aufnehmen wollte.
  6. Wenn aber Sohn, dann auch Erbe: Das ist ein schöner Werdegang. Zuerst werden wir aus der Knechtschaft befreit. Dann werden wir zu Söhnen erklärt und in Gottes Familie aufgenommen. Dann, als Söhne, werden wir zu Erben gemacht.
    1. Erben erben etwas, und Paulus machte klar, was wir erben: dann auch Erbe Gottes durch Christus. Wir erben Gott selbst.
    2. Für manche mag dies wie eine kleine Erbschaft erscheinen. Doch für diejenigen, die wirklich in Christus sind und die Gott wirklich lieben, ist es das reichste Erbe von allen, ein Erbe Gottes zu sein.
  7. Durch Christus: Unsere Befreiung aus der Knechtschaft oder Sklaverei, unsere Sohnschaft, der Geist Jesu in unseren Herzen und unser Status als Erben Gottes sind alles Geburtsrechte, die uns in Jesus gegeben wurden. Wir empfangen sie durch Christus. Das sind die Dinge, in denen wir leben und uns an jedem Tag unseres christlichen Lebens erfreuen sollten.

4. Eine Entscheidung treffen: Die Wahl zwischen dem Leben unter den Grundsätzen der Welt oder als Sohn Gottes

Galater 4, 8-11

Galater 4, 8-11
Damals aber, als ihr Gott nicht kanntet, dientet ihr denen, die von Natur nicht Götter sind. Jetzt aber, da ihr Gott erkannt habt, ja vielmehr von Gott erkannt seid, wieso wendet ihr euch wiederum den schwachen und armseligen Grundsätzen zu, denen ihr von Neuem dienen wollt? Ihr beachtet Tage und Monate und Zeiten und Jahre. Ich fürchte um euch, dass ich am Ende vergeblich um euch gearbeitet habe.

  1. Jetzt aber, da ihr Gott erkannt habt, ja vielmehr von Gott erkannt seid, wieso wendet ihr euch wiederum den schwachen und armseligen Grundsätzen zu: Die Knechtschaft ist natürlich, wenn wir Gott nicht gekannt haben und wenn wir den Dingen gedient haben, die keine Götter sind (Damals aber, als ihr Gott nicht kanntet). Doch jetzt erkannten die Galater Gott und begaben sich dennoch in die Knechtschaft. Das war es, was Paulus erstaunte.
    1. Ja vielmehr von Gott erkannt seid: Paulus nannte einen wichtigen Faktor, als er schrieb, ja vielmehr von Gott erkannt seid; es ist wirklich wichtiger, dass Gott uns kennt (im Sinne einer intimen, akzeptierenden Beziehung), als dass wir Gott kennen. Denken Sie an die schrecklichen Worte des Gerichts in Matthäus 7, 21-23: Ich habe euch nie gekannt.
  2. Wieso wendet ihr euch wiederum den schwachen und armseligen Grundsätzen zu: Indem sie sich der Gesetzlichkeit (Legalismus) zuwandten, wandten sich die Galater nicht einem neuen Irrtum zu, sondern kehrten zu einem alten zurück – der Überzeugung einer auf unseren Werken beruhenden Beziehung zu Gott.
    1. Den schwachen und armseligen Grundsätzen: Paulus benutzte dasselbe Wort für Grundsätze, das in Galater 4, 3 verwendet wurde. Als Christen können wir uns unter die Knechtschaft einer auf Werken basierenden, auf ‚Ursache und Wirkung‘ beruhenden Beziehung zu Gott stellen – aber das ist nicht fortschrittlich, sondern rückschrittlich. Indem Paulus schreibt „wendet ihr euch wiederum“, zeigt er, dass die Galater sich nicht einem neuen Irrtum zuwandten, sondern zu einem alten zurückkehrten: Der Vorstellung einer Beziehung zu Gott, die sich auf unsere Werke stützt.
    2. „Eine der Tragödien der Gesetzlichkeit besteht darin, dass sie den Anschein geistlicher Reife erweckt, während sie den Gläubigen in Wirklichkeit in eine ‚zweite Kindheit‘ christlicher Erfahrung zurückführt.“ (Wiersbe)
  3. Schwachen und armseligen: Die Grundsätze der Welt sind schwach, weil sie keine Stärke bieten und sie sind armselig, weil sie keine Reichtümer schenken. Alles, was sie tun können, ist, uns wiederum in Knechtschaft bringen.
    1. Stott umschreibt den Gedanken: „Wenn du ein Knecht warst und jetzt ein Sohn bist, wenn du Gott nicht kanntest, ihn aber jetzt kennen gelernt hast und von ihm erkannt worden bist, wie kannst du dann wieder zur alten Knechtschaft zurückkehren? Wie kannst du dich von den elementaren Geistern, vor denen dich Jesus Christus gerettet hat, versklaven lassen?“
  4. Ihr beachtet Tage und Monate und Zeiten und Jahre: Die Irrlehrer unter den Galatern verlangten die Einhaltung von Tagen und Monaten und Zeiten und Jahren und andere Belange, an die sich kleinlich und starr gehalten werden sollte und taten so, als würde sie dies auf eine höhere Ebene der Spiritualität führen. Doch alles, was diese schwachen und armseligen Grundsätze bewirkten, war, sie in die Knechtschaft zu bringen.
    1. Paulus scheint erstaunt zu sein, dass sich jemand von der Freiheit Jesu zu dieser Art von Knechtschaft hinwenden würde. Doch die Gesetzlichkeit würdigt unsere zur Sünde neigende menschliche Natur und richtet sich darauf aus, indem sie den Schwerpunkt auf das legt, was wir für Gott erreichen, und nicht auf das, was Jesus für uns getan hat. Die Freiheit Jesu gibt uns den Status von Söhnen und ein reiches Erbe, aber sie richtet sich nicht auf unsere sündige Natur aus.
    2. „Beachten Sie, wie sehr ein solcher Vers im Widerspruch zu jeder Theorie eines christlichen Sabbats steht, da er die Wurzel ALLER verpflichtenden Einhaltung der Zeiten als solche abschneidet.“ (Alford)
    3. „Wenn bestimmte Tage an sich als heilig dargestellt werden, wenn ein Tag aus religiösen Gründen von einem anderen Tag unterschieden wird, wenn die heiligen Tage als Teil der göttlichen Verehrung angesehen werden, werden diese Tage falsch wahrgenommen.“ (Calvin)
  5. Ich fürchte um euch, dass ich am Ende vergeblich um euch gearbeitet habe: Paulus fürchtete, dass die Anziehungskraft der Gesetzlichkeit bewirken würde, dass seine Arbeit unter den Galatern nichts wert sei und am Ende vergeblich sein würde.
    1. Arbeiten meint hier wörtlich „bis zur Erschöpfung arbeiten“. Paulus arbeitete hart unter den Galatern, wie er es immer tat (1. Korinther 15, 10). Paulus dachte nie, dass das Evangelium der freien Gnade Faulheit im Dienst für Gott bedeuten würde.
  6. Vergeblich: Am Ende dieses Abschnitts stellt Paulus die Galater und uns vor eine Wahl. Wir können eine lebendige, freie Beziehung zu Gott als einem liebenden Vater haben, basierend auf dem, was Jesus für uns getan hat und wer wir in ihm sind. Oder wir können versuchen, Gott zu gefallen, indem wir uns nach besten Kräften bemühen, die Regeln einzuhalten, und in Knechtschaft und nicht als Söhne leben. Wenn wir so leben, ist das ganze Evangelium vergeblich.
    1. Ein gutes Beispiel dafür ist John Wesley. Vor seiner Bekehrung:
      1. War er Sohn eines Pfarrers und selbst ein Pfarrer.
      2. War er orthodox im Glauben, sittenstreng und voller guter Werke.
      3. Leistete er Dienst in Gefängnissen, Ausbeuterbetrieben und Slums.
      4. Gab er Slumkindern Nahrung, Kleidung und Bildung.
      5. Hielt er sowohl den Samstag als auch den Sonntag als Sabbat ein.
      6. Von England aus segelte er als Missionar in die amerikanischen Kolonien.
      7. Er studierte seine Bibel, betete, fastete und spendete regelmäßig.
    2. Dennoch war er die ganze Zeit in den Ketten seiner eigenen religiösen Bemühungen gefesselt, weil er darauf vertraute, was er tun konnte, um sich vor Gott gerecht zu machen, anstatt auf das zu vertrauen, was Jesus getan hatte. Später kam er zum „Vertrauen auf Christus, nur auf Christus zur Erlösung“, und er kam zur inneren Gewissheit, dass ihm nun vergeben, er gerettet und ein Sohn Gottes sei. Er blickte auf all seine religiösen Aktivitäten zurück, bevor er wirklich gerettet wurde, und sagt: „Ich hatte schon damals den Glauben eines Dieners, aber nicht den eines Sohnes.“

B. Ein persönlicher Appell des Apostels Paulus

1. Paulus appelliert: „Werdet doch wie ich.“

Galater 4, 12

Galater 4, 12
Werdet doch wie ich, denn ich bin wie ihr! Ich bitte euch, ihr Brüder! Ihr habt mir nichts zuleide getan;

  1. Werdet doch wie ich: Für viele von uns heute sind das seltsame Worte von Paulus. Wie konnte er die Galater dazu auffordern, so zu werden wie er? Sollte er sie nur auf Jesus hinweisen? Wie sollten die Christen in Galatien wie Paulus werden?
    1. Paulus wusste genau, dass er nicht sündlos perfekt war. Er stand nicht vor den galatischen Christen und sagte: „Seht, wie vollkommen ich bin. Kümmert euch nicht darum, Jesus nachzufolgen, sondern folgt einfach mir nach.“ Er wollte nur, dass sie ihm folgen, wie er Jesus folgte.
    2. Stattdessen wusste Paulus, dass die galatischen Christen seine Beständigkeit nachahmen sollten. Die Galater begannen mit dem richtigen Verständnis des Evangeliums, denn Paulus führte sie in das richtige Verständnis. Aber einige von ihnen blieben nicht dort, wie Paulus es tat und auf diese Art sollten sie wie Paulus werden.
    3. Paulus wusste, dass die Christen Galatiens seine Freiheit nachahmen sollten. Paulus war in Jesus frei, und er wollte, dass sie die gleiche Freiheit kennenlernen. Auf diese Weise sollten sie wie Paulus werden. „So zu sein, wie ich bin, ist eine Ermahnung an die Galater, Christen zu werden in demselben Sinne, wie Paulus ein Christ ist, einer, der nicht an das jüdische Gesetz gebunden ist.“ (Morris)
    4. In gewissem Sinne sollte jeder Christ in der Lage sein, zu anderen zu sagen: ‚Werde wie ich‘. „Alle Christen sollten in der Lage sein, so etwas zu sagen, besonders zu Ungläubigen, nämlich dass wir mit Jesus Christus so zufrieden sind, mit seiner Freiheit, Freude und Erlösung, dass wir wollen, dass andere Menschen so werden wie wir.“ (Stott)
  2. Denn ich bin wie ihr: Paulus könnte zu den Christen in Galatien sagen: „Wenn es um die Gesetzlichkeit geht, weiß ich, worum es geht. Ich habe mein ganzes Leben lang versucht, wegen meiner Taten von Gott angenommen zu werden. In dieser Hinsicht bin ich wie ihr und ich sah, dass es eine Sackgasse war. Lass es dir von jemandem sagen, der weiß, wovon er spricht“.
    1. Oder Paulus mag die Betrachtungsweise im Kopf haben, dass er wie ein Heide wurde, als er unter ihnen war, gemäß der Philosophie, die in 1. Korinther 9, 19-23 zum Ausdruck kommt. In diesem Denken wurde er „einer, der frei von den Beschränkungen lebt, die ihm das Gesetz auferlegt. Das bedeutet, dass er seine jüdischen Fesseln abgeworfen hatte und wie ein Nichtjude geworden war; er fleht seine Bekehrten an, nicht wie Juden zu werden.“ (Morris)
  3. Ihr habt mir nichts zuleide getan: Paulus hat bei den Galatern ziemlich harte Worte benutzt. Es erweckt leicht den Eindruck, dass er nur aus einem Gefühl der persönlichen Verletzung heraus gesprochen hat. Paulus versicherte ihnen, dass dies überhaupt nicht der Fall sei. Paulus wollte, dass sie es richtig machen, aber um ihrer selbst willen und nicht um seinetwillen.
    1. In diesen Versen können wir Paulus‘ aufrichtige Ergriffenheit spüren. Wie Stott bemerkte: „In Galater 1-3 haben wir den Apostel Paulus gehört, den Theologen Paulus, den Verteidiger des Glaubens; aber jetzt hören wir Paulus, den Mann, Paulus, den Pastor, Paulus, den leidenschaftlichen Menschenfreund.“

2. Paulus appelliert: „Erinnert euch, wie ihr früher auf mich gehört habt.“

Galater 4, 13-16

Galater 4, 13-16
Ihr wisst aber, dass ich euch in Schwachheit des Fleisches zum ersten Mal das Evangelium verkündigt habe. Und meine Anfechtung in meinem Fleisch habt ihr nicht verachtet oder gar verabscheut, sondern wie einen Engel Gottes nahmt ihr mich auf, wie Christus Jesus. Was war denn eure Glückseligkeit? Denn ich gebe euch das Zeugnis, dass ihr wenn möglich eure Augen ausgerissen und mir gegeben hättet. Bin ich also euer Feind geworden, weil ich euch die Wahrheit sage?

  1. Ihr wisst aber, dass ich euch in Schwachheit des Fleisches zum ersten Mal das Evangelium verkündigt habe: Anscheinend war Paulus gezwungen, in die Region Galatien zu reisen, weil er auf seiner ersten Missionsreise an einer Art körperlicher Gebrechen litt. Die Apostelgeschichte sagt uns nicht so viel darüber, wie wir gerne wüssten, aber wir können ein paar Fakten sammeln:
    1. Wir wissen, dass, als Paulus in der Region Süd-Galatien war, Verfolger versuchten, ihn in der Stadt Lystra durch Steinigung hinzurichten (Apostelgeschichte 14, 19-20). Seine Angreifer überließen ihn dem Tod, doch wie durch ein Wunder überlebte er. Einige glauben, dass dies die Ursache für die von ihm erwähnte Schwachheit des Fleisches war. Aber Paulus war bereits in der Region Galatien, als das geschah; seine Formulierung in Galater 4 lässt vermuten, dass er wegen einer Schwachheit des Fleisches in die Region kam.
    2. „Die eindringliche Stellung des Satzes legt nahe, dass Paulus ursprünglich geplant hatte, woanders hinzugehen (vielleicht nach Westen in Richtung Ephesus), und dass sein Missionsbesuch bei den Galatern allein auf seine Krankheit und sein Bedürfnis nach Erholung zurückzuführen war.“ (Fung)
    3. Was genau war Paulus Schwachheit des Fleisches? Einige glauben, dass er unter Depressionen oder Epilepsie litt oder dass seine Krankheit mit dem in 2. Korinther 12 erwähnten Pfahl fürs Fleisch zusammenhing. Nichts davon lässt sich mit Sicherheit feststellen.
    4. Nach Apostelgeschichte 13 kam Paulus aus der Stadt Perge in der Region Pamphylien in die Region Galatien, genauer gesagt in die Stadt Antiochia in Pisidien. Wir wissen ein paar Dinge über Perge; erstens war es der Ort, an dem Paulus und Barnabas von Johannes Markus im Stich gelassen wurden (Apostelgeschichte 13, 13), und die Strapazen im Zusammenhang mit der Schwachheit des Fleisches könnten etwas damit zu tun gehabt haben. Zweitens lag Perge im Flachland, in einem sumpfigen Gebiet. Die galatische Stadt Antiochia lag etwa 1100 Meter höher als Perge. Es wird vermutet, dass Paulus Schwachheit des Fleisches eine im Flachland von Perge verbreitete Art von Malaria war. William Barclay beschrieb diese Malaria als einen schrecklichen Schmerz, und verglich ihm mit „einer rotglühenden Stange, die durch die Stirn gestoßen“ wird.
    5. Wir sollten uns jedoch daran erinnern, wie Morris Stamm zitiert hat: „Die Schwierigkeiten, den Fall eines lebenden Patienten zu diagnostizieren, sollte uns vor der Sinnlosigkeit warnen, es bei einem Patienten zu versuchen, der seit fast neunzehnhundert Jahren tot ist“.
  2. Und meine Anfechtung in meinem Fleisch habt ihr nicht verachtet oder gar verabscheut: Auch wenn Paulus wegen seines körperlichen Gebrechens kein großes Vorbild an Kraft und Stärke war, nahmen die Galater ihn trotzdem auf, und sie nahmen ihn ehrenvoll auf. Sie behandelten Paulus so großzügig, als ob sie ihre eigenen Augen herausgerissen und sie Paulus gegeben hätten, wenn ihm das irgendwie geholfen hätte.
    1. „Offensichtlich wäre ein herausgerissenes Auge ein Geschenk, das niemand gebrauchen könnte, aber Paulus will damit sagen, dass seine Bekehrten in diesen frühen Tagen bereit waren, alles für ihn zu tun.“ (Morris)
    2. Dies führt einige zu der Annahme, dass Paulus‘ körperliches Gebrechen etwas mit seinen Augen zu tun hatte. Anerkannte Griechisch-Gelehrte wie Wuest, Rendall und Robertson glauben, dass die Nuancen des griechischen Textes darauf hindeuten, dass das körperliche Gebrechen des Paulus ein Augenproblem war. Galater 6, 11 – wo Paulus auf große mit der eigenen Hand geschriebene Buchstaben verweist – könnte diesen Gedanken ebenfalls unterstützen.
    3. Aber Cole stellt zu Recht fest: „Diejenigen, die hier einen Beweis dafür sehen, dass Paulus an einer Ophthalmie oder einer ähnlichen Augenkrankheit litt, sind herzlich eingeladen, dies zu tun. Sicherlich würde man bei rauchigen Feuern ohne Schonsteine und der häufigen Verwendung von Öllampen ein hohes Aufkommen von Augenproblemen in der Welt des ersten Jahrhunderts im Mittelmeerraum erwarten. Für jemanden, der Jahre damit verbracht hat, über krakeligen hebräischen Wälzern zu grübeln, könnte das Risiko durchaus größer sein. Aber auch hier haben wir keinen Beweis.“
    4. Aber der eigentliche Punkt hier ist, dass die Galater, was auch immer Paulus‘ Gebrechen war, ihn weder verachteten oder gar verabscheuten. „Da körperliche Gebrechen und Krankheiten sowohl von Juden als auch von Nichtjuden als ein Symbol des göttlichen Missfallens oder göttlicher Strafe angesehen wurden, hätte es für die Galater eine natürliche Versuchung gegeben, Paulus zu verachten und seine Botschaft abzulehnen.“ (Fung) Das ist genau das, was die Galater nicht getan haben. Obwohl Paulus schwach und betrübt schien, nahmen sie ihn an und reagierten auf seine Botschaft der Gnade und der Liebe Gottes.
  3. Bin ich also euer Feind geworden, weil ich euch die Wahrheit sage? Im Licht der großen Liebe und Ehre, die die Galater Paulus entgegengebracht hatten, und im Licht des großen Segens, den sie von Gott empfingen, als sie ihm solche zeigten, sollten die Galater nicht denken, dass Paulus jetzt ihr Gegner geworden war, als er sie mit der Wahrheit konfrontierte. Die Wahrheit brauchten sie in dieser Situation mehr als ein Wohlbehagen.
    1. „Es reicht nicht aus, dass Pastoren respektiert werden, wenn sie nicht auch geliebt werden. Beides ist notwendig, sonst wird ihre Lehre keinen süßen Geschmack haben. Und er erklärt, dass bei den Galatern beides auf ihn zutraf. Er hatte bereits von ihrem Respekt gesprochen; jetzt spricht er von ihrer Liebe.“ (Calvin)
    2. „In dem Maße, in dem Diener und Lehrer des Wortes Gottes das Wort lehren, in demselben Maße sollten sie empfangen werden, wie die Galater den Apostel Paulus empfangen haben. Geistliche sollten nicht aufgrund ihres persönlichen Aussehens, ihrer intellektuellen Leistungen oder ihres gewinnenden Auftretens empfangen und beurteilt werden, sondern danach, ob sie tatsächlich Gottes Boten sind, die das Wort Christi tragen.“ (Boice)

3. Paulus appelliert: „Hütet euch vor der Zuneigung, die euch die Gesetzlichen entgegenbringen.“

Galater 4, 17-18

Galater 4, 17-18
Sie eifern um euch nicht in edler Weise, sondern wollen euch ausschließen, damit ihr um sie eifert. Das Eifern ist aber gut, wenn es für das Gute geschieht, und zwar allezeit, nicht nur, wenn ich bei euch anwesend bin.

  1. Sie eifern um euch nicht in edler Weise: Paulus räumt ein, dass die Gesetzlichen um die Galater eifern; und die Gesetzlichkeit kommt oft in einen Mantel der ‚Liebe‘ gehüllt daher. Aber das Endergebnis ist nichts Edles.
    1. Viele Sekten verwenden eine Technik, die informell als ‚Liebesbombardement‘ bekannt ist. Sie überwältigen ein potenzielles Mitglied mit Aufmerksamkeit, Unterstützung und Zuneigung. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine aufrichtige Liebe für den Anwärter; es ist in Wahrheit nur eine Technik, um ein anderes Mitglied zu gewinnen. Christen können die gleiche Technik auf die ein oder andere Weise anwenden.
  2. Sondern wollen euch ausschließen, damit ihr um sie eifert: Die gesetzlichen Gegner des Paulus wollten die galatischen Christen in ihre eigene, spalterische Gruppe hineinziehen. Sie wollten die Galater eigentlich von anderen Christen ausschließen und sie in die ‚übergeistliche‘ Gruppe der Gesetzlichen bringen.
    1. Der durch Gesetzlichkeit kultivierte Eifer ist oft eher Eifer für die Gruppe selbst als Eifer für Jesus Christus. Obwohl sie den Namen Jesus nennen, wird in der Praxis die Gruppe selbst zum Hauptaugenmerk und gewöhnlich als letzte Zuflucht der wahren ‚Superchristen‘ gepriesen.
  3. Ausschließen: Das bedeutet wörtlich ‚sie einsperren‘. Vorerst machen die Gesetzlichen den Galatern den Hof, aber sobald sie sie von Jesus und Paulus entfremdet haben, werden die Gesetzlichen verlangen, dass die Galater ihnen dienen. Gesetzlichkeit wird fast immer mit einer Art religiöser Unfreiheit in Verbindung gebracht.
    1. „Die Judaisten hatten den geschickten Kurs verfolgt, ihnen nur einen Teil der Anforderungen des mosaischen Gesetzes zu präsentieren, nämlich jene Teile, die ihnen als Nichtjuden am wenigsten abstoßend erscheinen könnten. Nachdem sie sie dazu gebracht hatten, die Feste und vielleicht auch die Fastentage zu übernehmen, drängten die Judaisten sie nun, die Beschneidung zu übernehmen.“ (Wuest)
  4. Das Eifern ist aber gut, wenn es für das Gute geschieht: Paulus war sicherlich nicht gegen Eifer. Er wollte, dass die Christen für das Gute eifern. Aber es ist wichtig, dafür zu sorgen, dass unser Eifer für das Gute geschieht, denn Eifer für eine schlechte Sache ist gefährlich.
    1. Die galatischen Christen waren zweifellos beeindruckt vom Eifer der Gesetzlichen. Die Gesetzlichen waren so herzlich, so leidenschaftlich in ihren Überzeugungen. Paulus stimmte zu, Eifern ist gut – aber nur wenn es für das Gute geschieht. Eifer im Dienste einer Lüge ist gefährlich.
    2. Paulus wusste das gut, denn bevor er Christ wurde, hatte er viel Eifer; er verfolgte sogar die Gemeinde (Apostelgeschichte 7, 58-8, 4). Später blickte Paulus auf diese Zeit des großen Eifers im Dienst der Lüge zurück und bedauerte sie zutiefst (1. Korinther 15, 9 und 1. Timotheus 1, 15).
  5. Und zwar allezeit, nicht nur, wenn ich bei euch anwesend bin: Paulus wollte, dass die Galater auch in seiner Abwesenheit eifrig für das Gute eintreten und nicht nur, wenn er unter ihnen anwesend ist.

4. Paulus appelliert: „Ich liebe euch wie einen Vater, bitte hört mir zu.“

Galater 4, 19-20

Galater 4, 19-20
Meine Kinder, um die ich noch einmal Geburtswehen leide, bis Christus in euch Gestalt gewinnt — wie gerne wollte ich jetzt bei euch sein und in anderem Ton zu euch reden, denn ich weiß nicht, woran ich mit euch bin!

  1. Meine Kinder: Paulus betrachtet sich zu Recht als Vater der Galater. Doch diese Herausforderung gab ihm das Gefühl er müsse sie ganz von neuem zu Jesus bringen (um die ich noch einmal Geburtswehen leide, bis Christus in euch Gestalt gewinnt). Paulus wusste, dass sein Werk, Christus in ihnen zu formen, nicht vollendet war, bis sie Jesus dauerhaft vertrauten.
    1. Die Vorstellung von Christus, der in euch Gestalt gewinnt, ähnelt der Vorstellung in Römer 8, 29: Denn die er zuvor ersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dem Ebenbild seines Sohnes gleichgestaltet zu werden, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern.
    2. Es wäre falsch, wenn Paulus versuchen würde, die Galater nach sich zu formen. Das wird niemals die Aufgabe eines Pastors sein. Es war richtig, dass er versuchte, Christus in ihnen zu formen.
  2. Meine Kinder: In diesem Abschnitt vermischte Paul meisterhaft Metaphern, um ein aussagekräftiges Bild zu vermitteln.
    1. Paulus vergleicht sich selbst mit einer ‚Mutter‘, die die Galater (meine Kinder) geistlich ‚geboren‘ hat.
    2. Etwas Unnatürliches ist geschehen – die Galater entfernen sich von Jesus und wenden sich dem Gesetz zu. Paulus muss also noch einmal Geburtswehen leiden, und es ist unnatürlich, dass er ein zweites Mal Wehen hat.
    3. Paulus hat die Geburtswehen, bis Christus in ihnen Gestalt gewinnt. Paulus wird weiter Wehen haben, bis für die Galater Weihnachten ist und Jesus in ihnen Gestalt gewinnt.
    4. Dies ist ein Muster, das in allen biblischen Werken zu finden ist. „Das Wort Gottes, das von den Lippen des Apostels oder Amtsträgers fällt, gelangt in das Herz des Hörers. Der Heilige Geist durchtränkt das Wort, so dass es die Frucht des Glaubens hervorbringt. Auf diese Weise ist jeder christliche Pastor ein geistlicher Vater, der Christus in den Herzen seiner Zuhörer formt“. (Luther)
    5. „Er vergleicht seinen Schmerz mit den Schmerzen bei der Geburt. Zuvor hatte er zum Zeitpunkt ihrer Bekehrung, als sie zur Welt kamen, Wehen über sie gehabt; nun hat ihr Rückfall ihm eine weitere Niederkunft beschert. Er liegt wieder in den Wehen. Das erste Mal hatte es eine Fehlgeburt gegeben; dieses Mal sehnt er sich danach, dass Christus wirklich in ihnen Gestalt annimmt.“ (Stott)
  3. Wie gerne wollte ich jetzt bei euch sein und in anderem Ton zu euch reden: Paulus wünschte sich zwei Dinge. Erstens, dass er bei den Galatern anwesend sein könnte. Aber er wünschte sich auch, dass er nicht mit so starken Worten zu ihnen sprechen müsste, dass er in anderem Ton zu ihnen reden könnte. Doch die Gefahr, dass sie das wahre Evangelium verlassen, machte diese starken Worte erforderlich, ebenso war es erforderlich, auszusprechen, dass Paulus nicht weiß, woran ich mit euch bin.
    1. Dieser Abschnitt, Galater 4, 12-20, zeigt uns Grundsätze für die Haltung der Menschen in der Kirche gegenüber ihrem Pastor.
      1. Ihre Haltung darf nicht durch sein persönliches Aussehen oder seine Persönlichkeit bestimmt werden.
      2. Ihre Haltung darf nicht durch ihre eigenen theologischen Marotten bestimmt werden.
      3. Ihre Haltung sollte von seiner Treue zur apostolischen Botschaft in der Bibel bestimmt sein.
    2. Dieser Abschnitt, Galater 4, 12-20, zeigt uns Grundsätze für die Haltung des Pastors gegenüber den Menschen in seiner Kirche.
      1. Er muss bereit sein, seiner Gemeinde zu dienen und Opfer zu erbringen.
      2. Er muss ihnen die Wahrheit sagen.
      3. Er muss sie zutiefst lieben; niemals aus egoistischen Motiven heraus.
      4. Er muss sich mehr wünschen als bloße Aufgeregtheit, sondern Eifer für gute Dinge.
      5. Er muss den Wunsch haben, Jesus in ihnen zu formen und nicht sich selbst.

C. Anhand des Alten Testaments zeigt Paulus, dass das System der Gnade und das des Gesetzes nicht zugleich als Grundsätze in unserem Leben existieren können

1. Paulus beruft sich auf das Gesetz gegenüber denen, die das Gesetz beanspruchen

Galater 4, 21

Galater 4, 21
Sagt mir, die ihr unter dem Gesetz sein wollt: Hört ihr das Gesetz nicht?

  1. Sagt mir, die ihr unter dem Gesetz sein wollt: Nun schreibt Paulus direkt, sowohl an diejenigen, die die Gesetzlichkeit gefördert haben, als auch an diejenigen, die der Gesetzlichkeit erlegen sind. Er schreibt an diejenigen, die unter dem Gesetz sein wollen und unter dem Gesetz leben wollen, als Grundlage ihrer Beziehung zu Gott.
    1. Es hat viele Vorteile, unter dem Gesetz zu sein, es zur Grundlage der Beziehung zu Gott zu machen. Erstens hast Du immer die äußere Gewissheit einer Liste von Regeln, die Du einhalten musst. Zweitens kannst du dich selbst beglückwünschen, weil Du die Regeln strikter befolgst als andere. Und schließlich kannst du die Lorbeeren für dein eigenes Seelenheil einheimsen, weil du es verdient hast, indem Du die Regeln eingehalten hast.
    2. Unter dem Gesetz macht dich das, was Du für Gott tust, vor ihm gerecht. Unter der Gnade Gottes macht das, was Gott in Jesus Christus für uns getan hat, uns vor ihm gerecht. Unter dem Gesetz liegt der Schwerpunkt auf meiner Leistung. Unter der Gnade Gottes liegt der Schwerpunkt darauf, wer Jesus ist und was er getan hat. Unter dem Gesetz finden wir Feigenblätter, um unsere Blöße zu bedecken. Unter der Gnade Gottes erhalten wir die Bedeckung, die durch das Opfer gewonnen wurde, das Gott bereitstellt.
    3. Der Christ hat nicht unter dem Gesetz zu leben. „Was genau ist jetzt Gottes Gesetz? Es steht nicht über einem Christen – es steht unter einem Christen. Manche Menschen halten Gottes Gesetz wie eine drohende Rute über Christen und sagen: ‘Wenn ihr sündigt, werdet ihr damit bestraft werden’. Dem ist nicht so. Das Gesetz steht unter einem Christen; es ist für ihn da, um darauf zu wandeln, seine Führung, sein Regelwerk, seine Vorlage zu sein … Das Gesetz ist der Weg, der uns führt, weder die Rute noch der Geist, die uns antreiben.“ (Spurgeon)
  2. Hört ihr das Gesetz nicht? Paulus spürte, dass er seinen Standpunkt noch nicht deutlich gemacht hatte, und so ging er nun mit einer weiteren Veranschaulichung aus dem Alten Testament an die Sache heran. Im Wesentlichen sagte Paulus: „Lasst uns eine Bibelarbeit machen. Öffnet eure Bibeln bei 1. Mose Kapitel 16.“
    1. Paulus hielt es für selbstverständlich, dass seine Leser die Bibel kennen. Er erklärt seinen Standpunkt anhand der Geschichte von Abraham, Hagar und Sarah in 1. Mose 16, ohne viele Details aus der Geschichte zu nennen. Er geht davon aus, dass sie die Geschichte kannten.
    2. Es ist wichtig, dass Paulus immer wieder auf die Heilige Schrift zurückgreift. Die Gesetzlichen unter den Galatern präsentierten sich als ein ‚Zurück-zur-Bibel‘-Haufen. Dennoch wird Paulus zeigen, dass sie mit den alttestamentlichen Schriften nicht richtig umgegangen sind, und er wird zeigen, dass ein richtiges Verständnis der Gesetze des Mose das wahre Evangelium, das er predigt, unterstützen wird.

2. Das Alte Testament zeigt den Unterschied zwischen den beiden Söhnen Abrahams, Isaak und Ismael

Galater 4, 22-23

Galater 4, 22-23
Es steht doch geschrieben, dass Abraham zwei Söhne hatte, einen von der [leibeigenen] Magd, den anderen von der Freien. Der von der Magd war gemäß dem Fleisch geboren, der von der Freien aber kraft der Verheißung.

  1. Es steht doch geschrieben, dass Abraham zwei Söhne hatte: Die Gesetzlichen, die die Galater beunruhigten, beteuerten, dass sie Kinder Abrahams waren und deshalb gesegnet wurden. Paulus wird zugeben, dass sie Kinder Abrahams sind, aber sie vergessen, dass Abraham zwei Söhne hatte.
  2. Einen von der [leibeigenen] Magd, den anderen von der Freien: Abrahams erster Sohn hieß Ismael. Er wurde nicht von seiner Frau geboren, sondern von der Dienerin seiner Frau (der leibeigenen Magd), aus einem fehlgeleiteten Plan der Leihmutterschaft, um ‚Gott zu helfen‘, als Abrahams Frau Sarah nicht schwanger werden konnte.
    1. Der erste Gegensatz, den Paulus zwischen dem wahren Christentum und der Gesetzlichkeit zieht, ist der Gegensatz zwischen Freiheit und Sklaverei. Ein Sohn Abrahams wurde von einer Freien und einer von einer leibeigenen Magd geboren. Das echte christliche Leben ist von Freiheit geprägt.
  3. Gemäß dem Fleisch geboren: Ismael war Abrahams Sohn, aber er war der Sohn, der gemäß dem Fleisch und dem Unglauben geboren war und versuchte, seinen eigenen Weg vor Gott zu finden.
    1. Es sieht oft nicht so aus, aber Gesetzlichkeit ist ein Leben gemäß dem Fleisch. Er leugnet Gottes Verheißung und versucht, durch das Gesetz seinen eigenen Weg zu Gott zu finden. Das ist ein Leben wie ein Nachfahre Abrahams – aber es ist ein Leben wie Ismael.
    2. „Gesetzlichkeit bedeutet nicht das Setzen spiritueller Normen; es bedeutet, diese Normen zu verehren und zu denken, wir seien spirituell, weil wir ihnen gehorchen. Es bedeutet auch, andere Gläubige auf der Grundlage dieser Normen zu beurteilen.“ (Wiersbe)
    3. „Je besser ein Mensch als Gesetzlicher ist, desto sicherer ist er, verdammt zu werden; je heiliger ein Mensch ist, wenn er seinen Werken vertraut, desto mehr kann er sich seiner eigenen endgültigen Ablehnung und seines ewigen Anteils bei den Pharisäern sicher sein.“ (Spurgeon)
  4. Der von der Freien aber kraft der Verheißung: Abrahams zweiter Sohn hieß Isaak. Er wurde, wie durch ein Wunder, durch Abrahams Frau Sarah (die Freie) geboren. Isaak war der Sohn Abrahams, und er war der Sohn von Gottes Verheißung und Glauben und Gottes Wunder für Abraham.
    1. Der zweite Gegensatz, den Paulus zwischen Christentum und Gesetzlichkeit zieht, ist der Gegensatz zwischen einem Werk, das durch Gottes verheißene Wunder vollbracht wird, und einem Werk, das durch das Fleisch (durch die menschliche Natur) vollbracht wird. Das eigentliche christliche Leben ist mit Gottes verheißenem Wunder und nicht mit dem Fleisch verbunden.

3. Das Alte Testament zeigt den Unterschied zwischen dem Berg Sinai und dem Berg Zion

Galater 4, 24-27

Galater 4, 24-27
Das hat einen bildlichen Sinn: Dies sind nämlich die zwei Bündnisse; das eine vom Berg Sinai, das zur Knechtschaft gebiert, das ist Hagar. Denn »Hagar« bedeutet den Berg Sinai in Arabien und entspricht dem jetzigen Jerusalem, und es ist in Knechtschaft samt seinen Kindern. Das obere Jerusalem aber ist frei, und dieses ist die Mutter von uns allen. Denn es steht geschrieben:
»Freue dich, du Unfruchtbare,
die du nicht gebierst; brich in Jubel aus und jauchze,
die du nicht in Wehen liegst,
denn die Vereinsamte hat mehr Kinder
als die, welche den Mann hat«.

  1. Das hat einen bildlichen Sinn: Paulus wollte, dass man versteht, dass er Bilder aus dem Alten Testament verwendet. Seine Bezugnahme auf Hagar und Ismael waren Sinnbilder, die seinen Standpunkt verdeutlichen sollten. Nun würde er ein weiteres Bild einbringen.
    1. Paulus wurde hier eindeutig vom Heiligen Geist geleitet. Wir müssen vorsichtig sein, wenn wir allegorische oder symbolische Dinge in der Heiligen Schrift lesen. „Die Heilige Schrift, so sagen sie, ist fruchtbar und trägt daher vielfältige Bedeutungen. Ich erkenne an, dass die Schrift die reichste und unerschöpflichste Quelle aller Weisheit ist. Aber ich bestreite, dass ihre Fruchtbarkeit in den verschiedenen Bedeutungen besteht, die jeder nach Belieben aus ihr herauslesen kann. Lasst uns also wissen, dass die wahre Bedeutung der Schrift die natürliche und einfache ist, und lasst uns diese entschlossen annehmen und festhalten.“ (Calvin)
  2. Dies sind nämlich die zwei Bündnisse: In der Bibel ist ein Bund ein ‚Vertrag‘, der die Regeln für unsere Beziehung zu Gott festlegt. Paulus brach es auf die Fragen herunter, mit denen die Christen in Galatien konfrontiert waren. Die Gesetzlichen wollten, dass sie ihre Beziehung zu Gott nach einem Satz Regeln gestalteten, und Paulus wollte, dass sie ihre Beziehung zu Gott nach den ‚Regeln‘ gestalten, die das Evangelium vorgibt.
  3. Das eine vom Berg Sinai: Ein Bund ist mit dem Berg Sinai verbunden, dem Ort, an dem Mose das Gesetz empfing (2. Mose 19-20).
    1. Dieser Bund gebiert zur Knechtschaft. Da es nur darum geht, was wir für Gott tun müssen, um von ihm akzeptiert zu werden, macht er uns nicht frei. Er versetzt uns in eine ewige Tretmühle, in der wir uns beweisen und unseren Weg vor Gott verdienen müssen.
    2. Dieser Bund ist mit Hagar, der ‚Leihmutter‘, die Ismael zur Welt brachte, verbunden. Es ist deshalb (bei falscher Verwendung) ein Bund nach dem Fleisch (Galater 4, 23).
    3. Dieser Bund entspricht dem jetzigen Jerusalem, d.h. dem irdischen Jerusalem, welches die Hauptstadt des religiösen Judentums war. Auf diese Weise versuchten die meisten Juden zu Paulus‘ Zeiten, mit Gott im Reinen zu sein – indem sie auf ihre Fähigkeit vertrauten, Gott zu gefallen, indem sie das Gesetz einhielten.
  4. Aber das obere Jerusalem: Der andere Bund ist verbunden mit Jerusalem, dem Berg Zion – aber nicht mit dem Berg Zion dieser Erde. Stattdessen wird er mit dem oberen Jerusalem assoziiert – Gottes eigenem neuen Jerusalem im Himmel.
    1. Der dritte Gegensatz, den Paulus zwischen Christentum und Gesetzlichkeit zieht, ist der Gegensatz zwischen Himmel und Erde. Das wahre Christentum kommt vom Himmel und nicht von der Erde.
  5. Das obere Jerusalem aber ist frei: Paulus wird uns nun mehr über den Bund erzählen, den das himmlische Jerusalem darstellt. Dieser Bund bringt Freiheit – er ist frei. Er ist frei, weil er würdigt, dass Jesus den Preis bezahlt hat, und wir ihn nicht selbst bezahlen müssen.
  6. Dieses ist die Mutter von uns allen: Dieses Bündnis hat viele Kinder; es ist die Mutter von uns allen. Jeder Christ durch die Jahrhunderte hindurch gehört diesem neuen Bund an, dem Bund des himmlischen Jerusalems. Und jede Geburt unter diesem Bund ist ein Wunder, wie die Erfüllung der Prophezeiung aus Jesaja 54, 1: Freue dich, du Unfruchtbare, die du nicht gebierst. Jeder Einzelne wird durch ein Wunder Gottes neu geboren.
  7. Denn die Vereinsamte hat mehr Kinder: Auch das Zitat aus Jesaja 54, 1 legt nahe, dass es bald mehr Christen als Juden geben wird – ein Verheißung, die erfüllt wurde.
    1. Der vierte Gegensatz, den Paulus zwischen Christentum und Gesetzlichkeit zieht, ist der Gegensatz zwischen vielen mehr und vielen. Die Fülle und Herrlichkeit des Neuen Bundes zeigt sich darin, dass er bald viel mehr Anhänger haben würde als der Alte Bund.

Die ‚Ismaels‘ – Gesetzlichkeit

Die ‚Isaaks‘ – Wahres Christentum

Sklaverei und Knechtschaft

Freiheit

Ismael: gemäß dem Fleisch geboren

Isaak: durch Gottes versprochenes Wunder geboren

Aus dem irdischen Jerusalem kommend

Aus dem himmlischen Jerusalem kommend

Viele Kinder

Viele Kinder mehr

Verfolger

Verfolgte

Nichts erben

Alles erben

Beziehung auf der Grundlage der Gesetzlichkeit

Beziehung, die auf Gottvertrauen basiert

4. Paulus wendet die Gegensätze zwischen den beiden Systemen an

Galater 4, 28-31

Galater 4, 28-31
Wir aber, Brüder, sind nach der Weise des Isaak Kinder der Verheißung. Doch gleichwie damals der gemäß dem Fleisch Geborene den gemäß dem Geist [Geborenen] verfolgte, so auch jetzt. Was aber sagt die Schrift? »Treibe die Magd hinaus und ihren Sohn! Denn der Sohn der Magd soll nicht erben mit dem Sohn der Freien«. So sind wir also, Brüder, nicht Kinder der [leibeigenen] Magd, sondern der Freien.

  1. Wir aber, Brüder, sind nach der Weise des Isaak Kinder der Verheißung: Als Christen identifizieren wir uns nicht mit Ismael. Wir identifizieren uns mit Isaak, als Kinder einer Verheißung, die im Glauben empfangen wurde.
  2. Doch gleichwie damals der gemäß dem Fleisch Geborene den gemäß dem Geist [Geborenen] verfolgte, so auch jetzt: Ismael und seine Nachkommen verfolgten Isaak und seine Nachkommen. Wir sollten uns also nicht wundern, dass die Menschen von heute, die Gott im Fleisch folgen, diejenigen verfolgen, die Gott im Glauben durch die Verheißung folgen.
    1. Der fünfte Gegensatz, den Paulus zwischen Christentum und Gesetzlichkeit zieht, ist der Gegensatz zwischen Verfolgern und Verfolgten. Die Gesetzlichen – vertreten durch Ismael – haben immer das wahre Christentum, vertreten durch Isaak, verfolgt. Wenn wir in der Herrlichkeit, in der Freiheit, in der wundersamen Kraft dieses Neuen Bundes wandeln, sollten wir damit rechnen, von denen, die das nicht tun, schlecht behandelt zu werden.
    2. Es wird nicht ausdrücklich erwähnt, dass Ismael Isaak verfolgte, obwohl in 1. Mose 21, 9 steht, dass Ismael Isaak verspottet hat. Vielleicht bezieht sich Paulus auf diese Verspottung, vielleicht erinnert er sich an eine jüdische Tradition, oder er fügt durch die Inspiration des Heiligen Geistes etwas hinzu, das wir vorher nicht kannten.
    3. Die Verfolgung, der Christen ausgesetzt sind, „wird nicht immer von der Welt ausgehen, sondern auch und noch häufiger von ihren Halbbrüdern – den ungläubigen, aber religiösen Menschen in der nominellen Kirche. Dies ist die Lektion der Geschichte … Heute finden sich die größten Feinde der gläubigen Kirche unter den Mitgliedern der ungläubigen Kirche, die größte Opposition geht von Kanzeln und kirchlichen Hierarchien aus.“ (Boice)
  3. Was aber sagt die Schrift? Treibe die Magd hinaus und ihren Sohn: Die Antwort auf dieses Problem ist klar, wenn auch nicht einfach. Wir müssen die Magd und ihren Sohn hinaustreiben. Gesetz und Gnade können nicht als Prinzipien für unser christliches Leben zusammenleben.
    1. Hagar und Sara konnten nicht zusammen im selben Haus wohnen (1. Mose 21, 8-14). Wir könnten den ganzen Tag lang darüber streiten, wessen Schuld es war, aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass Gott Abraham befahl, Hagar wegzuschicken. So muss auch jeder Christ die Überzeugung wegschicken, mit Gott nach dem Prinzip des Gesetzes in Beziehung zu treten, nach dem Prinzip dessen, was wir für ihn tun, statt nach dem, was er in Jesus Christus für uns getan hat.
    2. Bezeichnenderweise konnte Sarah bei Hagar und Ismael leben, bis der Sohn der Verheißung geboren wurde. Sobald Isaak geboren war, mussten Hagar und Ismael gehen. Genauso konnte sich eine Person auf das Gesetz beziehen, bevor die Verheißung des Evangeliums in Jesus Christus deutlich gemacht wurde. Aber jetzt, da es klar geworden ist, gibt es nichts anderes zu tun, als die Magd und ihren Sohn hinaustreiben.
  4. Denn der Sohn der Magd soll nicht erben mit dem Sohn der Freien: Ismael war nicht unbedingt ein schlechter Mann oder ein verfluchter Mann. Aber er war auch nicht mit der Verheißung gesegnet, den herrlichen Bund Gottes zu erben, der Abraham und seinen Nachkommen gegeben wurde. Das war das Erbe eines einzigen Erben – Isaak, des Sohnes der Freien.
    1. Der sechste Gegensatz, den Paulus zwischen Christentum und Gesetzlichkeit zieht, ist der Gegensatz von alles erben und nichts erben. Die ‚Isaaks‘ dieser Welt mögen zwar verfolgt werden, aber sie haben auch ein glorreiches Erbe, das die ‚Ismaels‘ dieser Welt niemals erfahren werden. Wir sind Erben Gottes durch das Prinzip der Gnade, nicht durch unsere Werke.
  5. So sind wir also, Brüder, nicht Kinder der [leibeigenen] Magd, sondern der Freien: Für Paulus war eines der großen Themen dabei die Freiheit. Er kannte die Knechtschaft des Versuchs, sich seinen eigenen Weg vor Gott zu verdienen, denn er lebte jahrzehntelang auf diese Weise. Jetzt kannte er die Freiheit, als ein Sohn Gottes zu leben, frei in Jesus Christus.
    1. „Barclay weist darauf hin, dass jeder, der das Gesetz in den Mittelpunkt stellt, ‚‘ in der Position eines Knechtes ist; sein ganzes Leben lang versucht er, seinen Herren, das Gesetz, zufrieden zu stellen‘. Wenn aber die Gnade im Mittelpunkt steht, dann hat die Person ‚die Liebe zum sie beherrschenden Prinzip gemacht … es wird die Kraft der Liebe sein und nicht der Zwang des Gesetzes, der uns im Recht hält; und die Liebe ist immer mächtiger als das Gesetz‘“. (Morris)

© 2022 The Enduring Word Bible Commentary by David Guzik.

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