Richter 17 – Michas Götzendienst

G. Campbell Morgan über Richter 17-21: „Die hier aufgezeichneten Ereignisse müssen kurz nach dem Tod Josuas stattgefunden haben. Sie geben uns ein Bild von der inneren Verfassung des Volkes, und es ist wahrscheinlich, dass sie mit dieser Absicht vom Geschichtsschreiber hinzugefügt wurden.“

A. Micha macht ein Heiligtum für Götzen

1. Er gibt eine große Menge an gestohlenem Silber an seine Mutter zurück

Richter 17, 1-2

Richter 17, 1-2
Und es war ein Mann vom Bergland Ephraim namens Micha. Der sprach zu seiner Mutter: Die 1 100 Silberlinge, die dir entwendet worden sind und um derentwillen du einen Schwur ausgesprochen hast vor meinen Ohren — siehe, jenes Geld ist bei mir, ich habe es entwendet! Da sprach seine Mutter: Gesegnet seist du, mein Sohn, von dem HERRN!

  1. Und es war ein Mann: Die Kapitel Richter 17 und 18 geben ein detailliertes Beispiel für die geistliche Verwirrung und Sünde in Israel während der Tage der Richter. Diese beiden Kapitel zeigen uns, wie schlimm die Dinge waren.
  2. Namens Micha: Micha, aus dem Stamm Ephraim, stahl seiner Mutter 1100 Silberlinge und gab sie dann zurück. Seine Mutter segnete ihren Sohn dafür, dass er das Geld zurückgab, obwohl er es ursprünglich entwendet hatte.
    1. Dieser Bericht verrät viel über den Charakter von Micha, seiner Mutter und den allgemeinen geistlichen Zustand Israels in dieser Zeit.
    2. Richter 17, 10 zeigt, dass zehn Silberlinge pro Jahr ein angemessener Lohn waren. Daher waren 1100 Silberlinge ein großes Vermögen.

2. Michas Mutter ordnet an, dass ein Teil des Geldes für die Anfertigung eines Bildes verwendet wird, das im Gottesdienst verwendet werden soll

Richter 17, 3-4

Richter 17, 3-4
So gab er seiner Mutter die 1 100 Silberlinge wieder. Und seine Mutter sprach: Ich habe das Geld aus meiner Hand ganz dem HERRN geheiligt für dich, mein Sohn, dass man ein Bildnis, ein gegossenes Bild, machen soll; darum gebe ich es dir jetzt wieder! Er aber gab seiner Mutter das Geld zurück. Da nahm seine Mutter 200 Silberlinge und gab sie dem Goldschmied; der machte ihr daraus ein Bildnis und ein gegossenes Bild; das kam in Michas Haus.

  1. Dass man ein Bildnis, ein gegossenes Bild, machen soll: Einige glauben, dass dies ein Bild eines falschen Gottes (etwa Baal oder Astarte) war. Andere glauben, dass es ein Bild war, das Jahwe darstellte. So oder so, Gott verbot strikt ein solches Bild, ob es nun den wahren Gott darstellen sollte oder nicht.
    1. Das goldene Kalb, das Aaron machte, sollte eigentlich Jahwe darstellen (2. Mose 32, 4-5). Aber das verstieß gegen das zweite Gebot: Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was in den Wassern, unter der Erde ist. Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott (2. Mose 20, 4-5).
  2. Der machte ihr daraus ein Bildnis und ein gegossenes Bild: Durch seine gefallene Natur will der Mensch Gott zu seinem Ebenbild machen. Viele religiöse Menschen legen sich ihr eigenes Bild von Gott zurecht und nehmen an, dass dies der Gott der Bibel ist. Es kostet Mühe, den Gott der Bibel zu verstehen und zu akzeptieren.
    1. Der Sinn dieser Passage ist, zu zeigen, dass Micha dies alles ohne Umstände gemacht hat. Es war nicht schwer, in Israel zu dieser Zeit ein Götzenbild anfertigen zu lassen. Das zeigt, wie sehr die Gesellschaft Israels zum Götzendienst neigte.

3. Micha richtet einen aufwendigen Gottesdienst ein

Richter 17, 5

Richter 17, 5
So hatte also Micha ein Gotteshaus, und er machte ein Ephod und Teraphim und weihte einen seiner Söhne, damit er ihm als Priester diente.

  1. So hatte also Micha ein Gotteshaus: Micha richtet zuerst ein Gotteshaus ein – eine Art kleinen Tempel, einen Ort, an den andere kamen, um diese Götzen anzubeten.
  2. Und er machte ein Ephod: Micha ahmte die Anbetung in der wahren Stiftshütte Gottes nach, indem er ein Ephod anfertigte. Dies war ein spezielles Kleidungsstück, das von den Priestern Israels getragen wurde.
  3. Und Teraphim: Zusätzlich zu diesem ersten Götzen machte Micha auch Teraphim (Haushaltsgötzen) – Götter, die in der Hoffnung auf Wohlstand und Führung angebetet wurden.
  4. Und weihte einen seiner Söhne, damit er ihm als Priester diente: Schließlich setzte Micha eine Priesterordnung unter seinen Söhnen ein. In jedem dieser Bereiche tat Micha alles, was er konnte, um eine rivalisierende Religion in Israel zu errichten.
    1. All dies kam von Micha und nicht von Gott. Dies war eine völlig von Menschenhand geschaffene und auf Menschen ausgerichtete Religion. Daher war der Zweck des Heiligtums, des schönen Ephods, der attraktiven Götzen und der etablierten Priesterschaft, dem Menschen zu dienen und zu gefallen, nicht Gott. Dieses Muster der menschengefälligen Religion ist auch heute noch in vielen Religionen und Kirchen anzutreffen.

4. Eine Zusammenfassung des geistlichen Zustands Israels während der Zeit der Richter

Richter 17, 6

Richter 17, 6
Zu jener Zeit gab es keinen König in Israel; jeder tat, was recht war in seinen Augen.

  1. Gab es keinen König in Israel: In der Tat gab es einen König in Israel – Israel hätte Gott den HERRN als seinen König anerkennen sollen. Aber da Israel Gott als König ablehnte, waren sie ohne gute und effektive Führung.
  2. Jeder tat, was recht war in seinen Augen: Dies bezieht sich auf den radikalen Individualismus, der die Zeit der Richter kennzeichnete. Die Menschen schauten auf sich selbst als Leitfaden für Moral und Ethik. Die Menschen glaubten wirklich, dass sie taten, was recht war, aber sie haben es nur mit ihren eigenen Augen gemessen.
    1. Das ähnelt sehr dem modernen ‚Folge-deinem-Herzen‘- oder ‚Hör-auf-deinen-Bauch‘-Denken. Die moderne Kultur betrachtet dies als den idealen Zustand der Gesellschaft. Doch die Bibel und der gesunde Menschenverstand sagen uns, dass diese Art von moralischer, geistlicher und sozialer Anarchie nichts als Zerstörung bringt.
      1. In den Augen von Adam und Eva schien es recht zu sein, von der verbotenen Frucht zu essen, aber Gott sagte, es sei falsch.
      2. In den Augen der Söhne Jakobs schien es recht zu sein, Joseph in die Sklaverei zu verkaufen, aber Gott sagte, es sei falsch.
      3. In den Augen von Nadab und Abihu (3. Mose 10) schien es recht zu sein, fremdes Feuer vor dem Herrn zu opfern, aber Gott sagte, es sei falsch.
      4. In den Augen von König David schien es recht zu sein, mit Bathseba Ehebruch zu begehen und es mit Mord zu verdecken, aber Gott sagte, es sei falsch.
      5. In den Augen von Judas schien es recht zu sein, Jesus zu verraten, aber Gott sagte, es sei falsch.
    2. Mancher Weg erscheint dem Menschen richtig, aber zuletzt führt er ihn doch zum Tod (Sprüche 14, 12). Wenn der Mensch seinen eigenen Instinkten folgt – abgesehen von der erlösten Natur des bekehrten Menschen -, führt das ins Verderben. Wir müssen Gottes Weg folgen, nicht unserem eigenen.

B. Micha heuert einen skrupellosen Leviten an

1. Ein opportunistischer Levit auf der Suche nach Arbeit

Richter 17, 7-8

Richter 17, 7-8
Es war aber ein junger Mann aus Bethlehem-Juda, vom Geschlecht Judas, der war ein Levit und hielt sich dort als Fremdling auf. Er zog aber aus der Stadt Bethlehem-Juda, um sich als Fremdling dort niederzulassen, wo er [etwas Geeignetes] fände. Als er so seines Weges ging, kam er auf das Bergland Ephraim zum Haus Michas.

  1. Es war aber ein junger Mann aus Bethlehem-Juda: Als Levit hatte dieser Mann Städte, in denen er leben konnte, und einen von Gott festgelegten Ort, um zu dienen. Stattdessen wollte er tun, was in seinen eigenen Augen richtig war und zog umher, um sich selbst als Mietpriester anzubieten, wo auch immer er [etwas Geeignetes] fände.
  2. Kam er auf das Bergland Ephraim zum Haus Michas: Das erklärt, wie sich die Wege dieses bestimmten Leviten und des zuvor erwähnten Micha kreuzten.

2. Micha stellt den Leviten ein

Richter 17, 9-11

Richter 17, 9-11
Da fragte ihn Micha: Wo kommst du her? Er antwortete ihm: Ich bin ein Levit von Bethlehem-Juda und bin unterwegs, um mich dort als Fremdling niederzulassen, wo ich [etwas Geeignetes] finde! Da sprach Micha zu ihm: Bleibe bei mir! Du sollst mir Vater und Priester sein; ich will dir jährlich zehn Silberlinge und Bekleidung und deinen Unterhalt geben! Und der Levit ging hinein. Und der Levit willigte ein, bei dem Mann zu bleiben; und dieser hielt den jungen Mann wie einen seiner Söhne.

  1. Bleibe bei mir! Du sollst mir Vater und Priester sein: Micha wollte, dass dieser Levit bei ihm bleibt und als Priester für ihn arbeitet. Er tat dies, weil er sein persönliches Heiligtum legitimieren wollte, indem er einen offiziell anerkannten Priester hatte, der dort diente. Tief im Inneren wusste er, dass sein Götzendienst falsch und bedeutungslos war, und er hoffte, dass dies es rechtmäßig machen würde.
    1. „Die Menschen sehnen sich nach einem Priester … Sei mein Priester; sprich für mich zu Gott, was ich nicht sagen kann. Die Opfer, die durch deine Hände dargebracht werden, werden bei ihm mehr nützen als die, die durch meine dargebracht werden.“ (Meyer)
  2. Ich will dir jährlich zehn Silberlinge und Bekleidung und deinen Unterhalt geben: Für zehn Silberlinge und Bekleidung hat sich der Levit also dem Götzendienst Michas verschrieben. Der Levit war ein perfektes Beispiel für einen Mietling, also jemanden, der Gott (oder einem Götzen) für das diente, was dieser ihm geben konnte, und nicht, um den HERRN zu verherrlichen.
    1. Es gibt viele verschiedene Wege, wie Mietlinge bekommen, was sie wollen. Der monetäre Mietling ist offensichtlich, aber es gibt auch emotionale Mietlinge, die aufgrund ihrer Unsicherheiten und ihres Bedürfnisses nach Anerkennung in den Dienst kommen.
  3. Und der Levit willigte ein, bei dem Mann zu bleiben: Das Arrangement schien für alle perfekt zu sein, und Micha hatte das Gefühl, einen Sohn gewonnen zu haben.
    1. „Micha versuchte, seine Beziehung zu Gott aufrechtzuerhalten, indem er gegen die Gebote Gottes verstieß. Der Levit verfiel dem Versuch, seinen eigenen materiellen Komfort durch Kompromisse zu sichern.“ (Morgan)

3. Eine falsche Weihe und ein falsches Vertrauen

Richter 17, 12-13

Richter 17, 12-13
Und Micha weihte den Leviten, damit der junge Mann ihm als Priester diente; und er blieb in Michas Haus. Und Micha sprach: Nun weiß ich, dass der HERR mir Gutes tun wird, weil ich einen Leviten als Priester habe!

  1. Und Micha weihte den Leviten: Michas Weihe bedeutete überhaupt nichts. Er hatte keine Vollmacht von Gott, einen abtrünnigen Leviten als von Gott abgesondert (geweiht) für den Dienst an diesem götzendienerischen Heiligtum zu erklären.
    1. In diesem tragischen Bericht ist jede Person einer schrecklichen Sünde schuldig. Dennoch könnten wir sagen, dass der Levit schuldiger war als Micha. Wir können das sagen, weil der Levit zumindest das Wort Gottes kennen sollte.
  2. Nun weiß ich, dass der HERR mir Gutes tun wird, weil ich einen Leviten als Priester habe: Michas Vertrauen war genauso falsch wie seine Weihe. Sie basierten beide auf Aberglauben, nicht auf Gottes Wort.
    1. Man könnte sagen, dass Micha vollkommen aufrichtig war – aber völlig falsch lag. Aufrichtigkeit ist schön, bringt aber nichts, wenn sie nicht mit der Wahrheit verbunden ist. Eine Person, die aufrichtig denkt, dass sie über den Pazifischen Ozean schwimmen kann, wird genauso sicher ertrinken wie die Person, die nicht so aufrichtig ist.

© 2023 The Enduring Word Bible Commentary by David Guzik.

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