Apostelgeschichte 23 – Paulus wird in Schutzhaft, von Jerusalem nach Cäsarea gebracht

A. Die Verteidigung von Paulus vor dem Hohen Rat

1. Paulus beginnt seine Rede vor dem Hohen Rat

Apostelgeschichte 23, 1-2

Apostelgeschichte 23, 1-2
Da sah Paulus den Hohen Rat eindringlich an und sprach: Ihr Männer und Brüder, ich habe mein Leben mit allem guten Gewissen vor Gott geführt bis zu diesem Tag. Aber der Hohepriester Ananias befahl den Umstehenden, ihn auf den Mund zu schlagen.

  1. Da sah Paulus den Hohen Rat eindringlich an: Am Vortag musste Paulus mitansehen, wie eine große Gelegenheit zu den Menschen auf dem Tempelberg zu sprechen ungenutzt blieb, da es dort wieder zu Ausschreitungen kam und er so seine Rede nicht beenden konnte. Nun bot sich Paulus eine weitere Gelegenheit, Israel für Jesus zu gewinnen und vielleicht war es sogar eine bessere Gelegenheit. Er sprach hier vor dem Hohen Rat und hatte somit die Möglichkeit diesen einflussreichen Männern Jesus zu verkünden.
  2. Männer und Brüder: Laut William Barclay bedeutete diese Anrede, dass Paulus mutig vor dem Hohen Rat sprach und sich mit ihnen auf eine Stufe stellte. Der üblichere Stil der Anrede wäre gewesen „Herrscher des Volkes und Älteste Israels“.
  3. Ich habe mein Leben mit allem guten Gewissen vor Gott geführt bis zu diesem Tag: Paulus dachte wahrscheinlich, dies sei unschuldig genug, um seiner Predigt damit zu beginnen. Er meinte damit aber nicht, dass er ohne Sünde oder perfekt wäre und dass sein Gewissen ihm nie gesagt hätte, dass er etwas Falsches tut, sondern vielmehr meinte er damit, dass er auf sein Gewissen gehört hat und wenn er etwas Falsches gemacht hat, dies wieder in Ordnung gebracht hat.
    1. Paulus würde ein reines Gewissen niemals als einen Weg betrachten, um vor Gott gerecht sein zu können. „Paulus hätte sich durchaus auf das Zeugnis seines Gewissens berufen können, da er vor dem höchsten Gericht Israels stand. Er verließ sich jedoch nicht auf seine eigene Gerechtigkeit, sondern vielmehr darauf, vor dem himmlischen Gericht gerechtfertigt zu werden. Unter dem prüfenden Blick Gottes war das reinste Gewissen eine zu unsichere Grundlage, um darauf zu bauen“. (Bruce)
    2. Die Aussage von Paulus in 1. Korinther 4, 4 ist relevanter: Denn ich bin mir nichts bewusst; aber damit bin ich nicht gerechtfertigt, sondern der Herr ist es, der mich beurteilt.
  4. Aber der Hohepriester Ananias befahl den Umstehenden, ihn auf den Mund zu schlagen: Die Behauptung von Paulus, er habe ein gutes Gewissen, war eine Beleidigung für den Hohepriester. Er war der Meinung, dass jemand, der wegen solchen schweren Verbrechen angeklagt wurde, sich niemals auf sein gutes Gewissen berufen sollte.
    1. Oder vielleicht wurde er in seinem Herzen von der Unbescholtenheit verurteilt, die Paulus Behauptung innewohnte. Dieser war ein Mann mit einem guten Gewissen und das wurde durch seine Rede und seinen Gesichtsausdruck offensichtlich.
    2. Ganz gleich, was sein Motiv war: „Dieser Befehl war illegal, denn das jüdische Gesetz besagte: ‚Wer einen Israeliten auf die Wange schlägt, schlägt sozusagen die Ehre Gottes‘, und ‚Wer einen Menschen schlägt, schlägt den Heiligen‘.“ (Hughes)
    3. Ananias, der zu dieser Zeit Hohepriester war, kam der Anforderung seines Amtes nicht angemessen nach. Er war bekannt für seine Gier und der antike jüdische Historiker Josephus erzählt, dass Ananias den Zehnten stahl, der für die normalen Priester vorgesehen war.
    4. „Er hatte keine Skrupel, Mord und Gewalt anzuwenden, um seine Interessen durchzusetzen“ (Bruce). Später wurde Ananias wegen seiner pro-römischen Politik von jüdischen Nationalisten brutal ermordet.

2. Paulus´ Reaktion auf den Schlag ins Gesicht

Apostelgeschichte 23, 3-5

Apostelgeschichte 23, 3-5
Da sprach Paulus zu ihm: Gott wird dich schlagen, du getünchte Wand! Du sitzt da, um mich zu richten nach dem Gesetz, und befiehlst, mich zu schlagen gegen das Gesetz? Die Umstehenden aber sprachen: Schmähst du den Hohenpriester Gottes? Da sprach Paulus: Ich wusste nicht, ihr Brüder, dass er Hoherpriester ist, denn es steht geschrieben: »Über einen Obersten deines Volkes sollst du nichts Böses reden«

  1. Gott wird dich schlagen, du getünchte Wand! Wir wünschten, wir wüssten, wie Paulus diese Worte gesagt hat. Es hätte geholfen, Paulus Tonfall zu hören, um zu wissen, ob es ein Wutausbruch oder eine ruhige und besonnene Zurechtweisung war, die so viel mehr Gewicht bekam.
    1. Wie auch immer der Tonfall gewesen sein mag, die Zurechtweisung war sowohl vollkommen zutreffend als auch berechtigt. Der Mann, der befahl einem wehrlosen Mann ins Gesicht zu schlagen, war in der Tat eine getünchte Wand; ein weißes Furnier der Reinheit, welches die offensichtliche Verdorbenheit bedeckte.
  2. Du sitzt da, um mich zu richten nach dem Gesetz, und befiehlst, mich zu schlagen gegen das Gesetz? Paulus entlarvte die Heuchelei des Mannes, der den Befehl gab.
    1. Die Männer des Hohen Rates sollten ein Beispiel für das Gesetz von Mose sein. Der Befehl, Paulus zu schlagen, widersprach tatsächlich sowohl dem Sinn als auch dem Wortlaut des Gesetzes. Gemäß 5. Mose 25, 1-2 durfte nur ein für schuldig befundener Mann geschlagen werden und Paulus war noch nicht für schuldig befunden worden.
    2. Gott wird dich schlagen: „Die Worte des Paulus waren prophetischer, als ihm bewusst war. Ananias lebte seine letzten Tage – trotz all seiner Intrigen und Bestechungen – wie ein gejagtes Tier und starb durch die Hände seines eigenen Volkes“. (Longenecker)
  3. Die Umstehenden aber sprachen: Schmähst du den Hohenpriester Gottes? Paulus wusste sofort, dass er mit seinem Vorstoß falsch lag, egal wie er es sagte. Er stimmte zu, dass es falsch war, über einen Obersten seines Volkes Böses zu reden (2. Mose 22, 28). Doch Paulus entschuldigte sich und behauptete, dass er nicht wusste, dass der Mann, der den Schlag angeordnet hatte, Ananias der Hohepriester war.
    1. Das ist nicht unangemessen, da Paulus dem Hohen Rat und den hohen Kreisen der jüdischen Obrigkeiten in Jerusalem mehr als 20 Jahre ferngeblieben war. Wahrscheinlich hat er den Mann, der den Befehl gab, ihn zu schlagen auch einfach nicht als Hohenpriester erkannt. Manche meinen, er wusste es nicht, weil Paulus schlecht sehen konnte. Dies ist eine Schlussfolgerung aus Galater 4, 14-15 und 6, 11 sowie aus den frühen Aufzeichnungen der Kirchengschichte.
    2. Andere meinen, Paulus sei sarkastisch gewesen, in dem Sinne „ich hätte nicht gedacht, dass jemand, der sich so verhält, der Hohepriester sein könnte“.

3. Der geschickte Schachzug von Paulus

Apostelgeschichte 23, 6

Apostelgeschichte 23, 6
Da aber Paulus wusste, dass der eine Teil aus Sadduzäern, der andere aus Pharisäern bestand, rief er in die Ratsversammlung hinein: Ihr Männer und Brüder, ich bin ein Pharisäer und der Sohn eines Pharisäers; wegen der Hoffnung auf die Auferstehung der Toten werde ich gerichtet!

  1. Paulus wusste: Paulus scheint seine Zuhörer studiert zu haben und sah, dass sie das Evangelium unterstützten – die Handlungen des Hohenpriesters und die Haltung der Anwesenden machten dies deutlich. Also gab es Paulus auf, das Evangelium zu verkünden und tat was er konnte, um seine Freiheit vor einer Ratsversammlung, die ihn töten wollte, zu bewahren.
  2. Der eine Teil aus Sadduzäern, der andere aus Pharisäern: Paulus´ Plan war es, den Hohen Rat in seine einzelnen Gruppierungen zu spalten – um sich das Wohlwollen einer Seite (die Pharisäer) zu sichern, anstatt beide gegen ihn zu vereinen.
  3. Ich bin ein Pharisäer und der Sohn eines Pharisäers: Paulus, der seine Zuhörer kannte, verwies auf sein Erbe als Pharisäer und erklärte, dass er wegen der Hoffnung auf die Auferstehung der Toten gerichtet werde. Er wusste, dass diese Angelegenheit für die beiden Parteien ein großer Streitpunkt war.
    1. Natürlich war das im Wesentlichen eine wahre Behauptung. Im Zentrum von Paulus‘ Evangelium stand ein auferstandener Jesus. Er wurde wegen der Frage nach der Auferstehung der Toten gerichtet.

4. Der Hohe Rat ist gespalten

Apostelgeschichte 23, 7-9

Apostelgeschichte 23, 7-9
Als er aber dies sagte, entstand ein Streit zwischen den Pharisäern und den Sadduzäern, und die Versammlung spaltete sich. Die Sadduzäer sagen nämlich, es gebe keine Auferstehung, auch weder Engel noch Geist; die Pharisäer aber bekennen sich zu beidem. Es entstand aber ein großes Geschrei, und die Schriftgelehrten von der Partei der Pharisäer standen auf, stritten heftig und sprachen: Wir finden nichts Böses an diesem Menschen; wenn aber ein Geist zu ihm geredet hat oder ein Engel, so wollen wir nicht gegen Gott kämpfen!

  1. Als er aber dies sagte, entstand ein Streit zwischen den Pharisäern und den Sadduzäern, und die Versammlung spaltete sich: Paulus hatte das richtige Thema gewählt. In diesem Rahmen gewann er sofort die Pharisäer als Verbündete und ließ sie mit den Sadduzäern darüber streiten.
    1. Die Sadduzäer waren die theologischen Liberalen ihrer Zeit und lehnten die Wahrheit über das Leben nach dem Tod und das Konzept der Auferstehung ab. Lukas schrieb zu Recht über sie: Die Sadduzäer sagen nämlich, es gebe keine Auferstehung, auch weder Engel noch Geist.
    2. Es war wahrscheinlicher, dass die Pharisäer eine gewisse Übereinstimmung mit Paulus fanden, da sie die Bibelgläubigeren unter den Juden der damaligen Zeit waren. Sie nahmen die Bibel ernst, auch wenn sie große Fehler machten, indem sie zu dem, was sie in der Bibel empfangen haben, menschliche Überlieferungen hinzufügten.
    3. Normalerweise waren die Sadduzäer und die Pharisäer erbitterte Feinde, aber sie waren in der Lage sich im Widerstand gegen Jesus (Matthäus 16, 1, Johannes 11, 47-53) und Paulus zu vereinen. Es ist seltsam, dass sich Menschen, die keine Gemeinsamkeiten haben, zusammentun, um sich gegen Gott oder sein Werk zu stellen.
  2. So wollen wir nicht gegen Gott kämpfen: Indem sie dies sagten, empfahlen die Pharisäer eine Rückkehr zu den Ratschlägen ihres großen Anführers Gamaliel, wie es in Apostelgeschichte 5, 38-39 beschrieben wird.

5. Paulus wird vom römischen Befehlshaber gerettet

Apostelgeschichte 23, 10

Apostelgeschichte 23, 10
Da aber ein großer Aufruhr entstand, befürchtete der Befehlshaber, Paulus könnte von ihnen zerrissen werden, und er befahl der Truppe, herabzukommen und ihn rasch aus ihrer Mitte herauszuführen und in die Kaserne zu bringen.

  1. Da aber ein großer Aufruhr entstand: Der Befehlshaber musste sich sicher sein, dass diese Juden mit ihren endlosen und gewalttätigen Auseinandersetzungen verrückt waren. Zuvor hatten sie wegen des einen Wortes ‚Nichtjuden‘ randaliert, und jetzt stritten die angesehenen Männer des Hohen Rats wegen des einen Wortes ‚Auferstehung‘.
  2. Befürchtete der Befehlshaber, Paulus könnte von ihnen zerrissen werden, und er befahl der Truppe, herabzukommen und ihn rasch aus ihrer Mitte herauszuführen: Der Befehlshaber entfernte Paulus zu seiner eigenen Sicherheit und brachte ihn in ihrer Obhut in die Kaserne.
    1. Der geschickte Schachzug von Paulus rettete ihn zwar vor dem Hohen Rat, aber er konnte mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein. Die Gelegenheit vor einer großen Menge aufmerksamer Juden auf dem Tempelberg zu predigen, war ein Misserfolg gewesen, und die Gelegenheit vor der einflussreichen jüdischen Ratsversammlung zu predigen, endete ebenfalls mit Faustkämpfen.
    2. Später scheint Paulus anzudeuten, dass die Taktik und seine Art und Weise, das umstrittene Thema der Auferstehung zur Sprache zu bringen nicht gut war. Er deutet an, dass dies ein ‚Fehlverhalten‘ seinerseits war (Apostelgeschichte 24, 20-21).

6. Jesus tröstet Paulus in der Nacht

Apostelgeschichte 23, 11

Apostelgeschichte 23, 11
Aber in der folgenden Nacht trat der Herr zu ihm und sprach: Sei getrost, Paulus! Denn wie du in Jerusalem von mir Zeugnis abgelegt hast, so sollst du auch in Rom Zeugnis ablegen.

  1. Aber in der folgenden Nacht: Dies muss eine schwere Nacht für Paulus gewesen sein. Sein Herz sehnte sich danach, dass seine jüdischen Mitmenschen gerettet werden (Römer 9, 1-4) aber zwei große Möglichkeiten blieben erfolglos. Es wäre keine Überraschung gewesen, wenn Paulus sich die Schuld für die verpasste Gelegenheit vor dem Hohen Rat gegeben hätte. Man könnte meinen, dass seine Reaktion auf den vom Hohenpriester angeordneten Schlag alles verdorben hatte.
    1. Vielleicht trauerte Paulus unter Tränen über diese verpassten Gelegenheiten für Gott und darüber, wie er sie vielleicht verdorben hatte. In solchen Momenten wird man oft von einem tiefen Gefühl gequält vor Gott unwürdig und unbrauchbar zu sein. Vielleicht war dies das Ende seines Dienstes.
    2. „Am Tag mutig, tapfer und furchtlos, findet die Einsamkeit der Nacht die verbrauchte Kraft und der Feind wartet nie lange, wenn es darum geht, diese Tatsache auszunutzen.“ (Morgan)
    3. Es war in der Dunkelheit jener Nacht, als die Ängste über Paulus herfielen; als sein Vertrauen in Gott zu wanken schien; als er sich Sorgen machte, was Gott tun würde und ob er es schaffen würde. Es war in der Dunkelheit jener Nacht, als Jesus zu Paulus kam und zu ihm trat.
  2. Aber … der Herr trat zu ihm: Die physische Gegenwart Jesu war (wie es scheint) ein einzigartiges Ereignis für Paulus. Aber Jesus versprach jedem Gläubigen immer bei ihm zu sein (Matthäus 28, 20).
    1. Jesus wusste, wo Paulus war, denn er hatte Paulus nicht aus den Augen verloren, weil er im Gefängnis saß. Als John Bunyan, der Autor von Pilgrim’s Progress, im Gefängnis saß, besuchte ihn ein Mann und sagte: „Freund, der Herr hat mich zu dir gesandt und ich habe in der Hälfte aller Gefängnisse in England nach dir gesucht“. John Bunyan antwortete: „Ich glaube nicht, dass der Herr dich zu mir gesandt hat, denn wenn er das getan hätte, wärst du zuerst hierhergekommen. Gott weiß, dass ich schon seit Jahren hier bin.“ Gott weiß, wo Du heute bist, selbst wenn Du es vor allen anderen verbirgst, weiß Gott, wo Du bist.
    2. Paulus war allein, aber er war nicht einsam. Wenn auch alle anderen ihn im Stich ließen, war Jesus genug. Es ist besser, mit dem Herrn im Gefängnis zu sein als ohne ihn im Himmel.
    3. Paulus war schon einmal auf wundersame Weise aus den Gefängniszellen befreit worden aber dieses Mal begegnete ihm der Herr direkt in der Gefängniszelle. Wir verlangen oft, dass Jesus uns aus unseren Umständen befreit, wenn er uns direkt in ihnen begegnen will. Wir denken manchmal, dass wir uns Jesus ergeben, obwohl wir in Wirklichkeit nur einen Ausweg fordern. Gott möchte uns in allem begegnen, was uns im Augenblick beschäftigt.
  3. Sei getrost, Paulus: Jesus war nicht nur bei Paulus; er sprach ihm Worte des Trostes zu. Die Worte ‚sei getrost‘ sagen uns, dass diese Nacht eine emotionale und vielleicht geistliche Finsternis über Paulus brachte. Jesus war da, um seinen treuen Diener zu trösten, nachdem dieser sich um Jesu Willen verausgabt hatte.
    1. Jesus hätte nicht gesagt, sei getrost, wenn Paulus diese Worte nicht hätte hören müssen. Paulus wusste, dass er sich in einer schlechten Lage befand, aber er wusste noch nicht, wie schlimm es wirklich war! Am nächsten Tag versammelten sich vierzig jüdische Attentäter und schworen in einen Hungerstreik zu treten, bis sie Paulus ermordet hätten. Paulus wusste nicht, dass dies geschehen würde, aber Jesus wusste es. Und doch konnte er zu Paulus sagen: sei getrost.
    2. Vielleicht denkst Du, dass die Dinge im Moment schlecht stehen, aber Du weißt vielleicht noch nicht, wie schlimm es wirklich ist. Aber Jesus weiß es und er sagt immer noch zu dir: sei getrost. Und warum? Nicht weil alles in Ordnung ist, sondern weil Gott immer noch auf seinem Thron sitzt und an seinem Versprechen festhält, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen die nach dem Vorsatz berufen sind (Römer 8, 28).
    3. Jeder kann getrost sein, wenn alles großartig ist, aber ein Christ kann getrost sein, auch wenn alles verdorben ist, da er weiß, dass Gott, unabhängig davon in welcher Krise er sich gerade befindet, mächtig und wunderbar ist.
    4. Getrost sein ist im Altgriechischen nur ein Wort und wird im Neuen Testament fünfmal verwendet – jedes Mal von Jesus.
      1. Jesus sagte zu dem bettlägerigen Gelähmten: Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben (Matthäus 9, 2).
      2. Jesus sagte zu der Frau die 12 Jahre blutflüssig war: Sei getrost, meine Tochter! Dein Glaube hat dich gerettet (Matthäus 9, 22).
      3. Jesus sagte auf dem See Genezareth zu seinen verängstigten Jüngern: Seid getrost, ich bin’s; fürchtet euch nicht (Matthäus 14, 27).
      4. Jesus sagte in der Nacht vor seiner Kreuzigung zu seinen Jüngern: In der Welt habt ihr Bedrängnis; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden (Johannes 16, 33).
      5. Und hier, in Apostelgeschichte 23, 11 sagte Jesus zu Paulus, sei getrost.
  4. Denn wie du in Jerusalem von mir Zeugnis abgelegt hast, so sollst du auch in Rom Zeugnis ablegen: Jesus erinnerte sich daran, was Paulus in Jerusalem getan hatte und sagte Paulus, dass es in Rom noch mehr Arbeit für ihn gebe.
    1. Paulus hätte aufgrund des fehlenden Erfolges von seiner Predigt in Jerusalem entmutigt sein können. Aber für die Resultate war er nicht verantwortlich. Er war nur verantwortlich dafür Gottes Wort zu verkünden und von Jesus Zeugnis abzulegen und für die Ergebnisse war Gott verantwortlich. Wie du in Jerusalem von mir Zeugnis abgelegt hast, bedeutet, dass Jesus Paulus zu einer gut gemachten Arbeit beglückwünschte.
    2. Doch, obwohl Paulus eine gute Arbeit geleistet hatte, gab es noch mehr zu tun. So sollst du auch in Rom Zeugnis ablegen war Paulus‘ nächster Auftrag. Die größten Worte, die ein treues Kind Gottes hören kann, sind „Es gibt noch mehr für dich zu tun“. Diese Worte betrüben den faulen Diener aber bringen einem treuen Diener Freude.
    3. Zu jedem Kind Gottes kann gesagt werden: Es gibt noch mehr für dich zu tun. Mehr Menschen zu Christus bringen, mehr Möglichkeiten Ihn zu verherrlichen, mehr Menschen, mit denen man beten kann, mehr demütige Möglichkeiten, um seinem Volk zu dienen, mehr Hungrige zu speisen, mehr Nackte zu kleiden, mehr ermüdete Heilige zu ermutigen.
    4. „Ein göttlicher Erlass bestimmt dich für einen größeren und schwierigeren Dienst an als du bisher gesehen hast. Es erwartet dich eine Zukunft, welche dir von keiner Macht auf oder unter der Erde geraubt werden kann, deshalb sei getrost“. (Spurgeon)
  5. So sollst du auch in Rom Zeugnis ablegen: Die Verheißung einer größeren Aufgabe war auch ein Versprechen ihn weiter zu beschützen. Paulus musste so lange weiterleben, bis er den von Gott für ihn bestimmten Lauf vollendet hatte.
    1. Paulus wollte unbedingt weiter nach Rom reisen (Apostelgeschichte 19, 21 und Römer 1, 9-12). Manchmal denken wir, dass nur weil wir uns etwas sehr wünschen, dies nicht Gottes Wille für uns sein kann. Aber Gott gibt uns das, was unser Herz begehrt (Psalm 37, 4).
    2. Der Zeitpunkt dieses Versprechens war besonders kostbar. Es sah nicht so aus, als käme Paulus lebend aus Jerusalem heraus, geschweige denn nach Rom. Gott weiß nicht nur, was wir hören müssen; er weiß auch, wann wir es hören müssen.
    3. Am nächsten Tag stand Paulus seinen Feinden mit einem Lächeln gegenüber, da er wusste, dass sie machtlos gegen ihn waren, weil Gott noch mehr für ihn zu tun hatte!
    4. „Diese Zusicherung bedeutete Paulus im Angesicht der Verzögerungen und Ängste der nächsten Jahre sehr viel und erklärt zu einem Großteil die ruhige und ehrfürchtige Haltung, die ihn von nun an eher als Herr der Lage, denn als deren Opfer erscheinen lässt.“ (Bruce)

B. Paulus wird vor der Verschwörung der Attentäter bewahrt

1. Vierzig Männer schwören, einen Hinterhalt vorzubereiten und Paulus zu töten

Apostelgeschichte 23, 12-15

Apostelgeschichte 23, 12-15
Als es aber Tag geworden war, rotteten sich etliche Juden zusammen und verschworen sich, weder zu essen noch zu trinken, bis sie Paulus umgebracht hätten. Es waren aber mehr als vierzig, die diese Verschwörung gemacht hatten. Diese gingen zu den obersten Priestern und Ältesten und sprachen: Wir haben uns mit einem Fluch verschworen, nichts zu genießen, bis wir Paulus umgebracht haben. So werdet nun ihr samt dem Hohen Rat bei dem Befehlshaber vorstellig [mit der Bitte], dass er ihn morgen zu euch hinabführen soll, [indem ihr so tut,] als ob ihr seine Sache genauer untersuchen wolltet; wir aber sind bereit, ihn vor seiner Ankunft umzubringen!

  1. Und verschworen sich, weder zu essen noch zu trinken, bis sie Paulus umgebracht hätten: In der Zeit von Paulus und Jesus gab es eine geheimnisvolle Gruppe jüdischer Mörder, die es auf die Römer und ihre Anhänger abgesehen hatten. Sie waren Dolchmänner, weil sie oft Dolche versteckten und römische Soldaten im Vorbeigehen erstachen. Es scheint so, dass dieselbe Art von Attentätern jetzt auch Paulus ins Visier genommen hatte.
    1. Sie waren so eifrig, dass sie schworen nichts zu essen oder gar zu trinken, bis Paulus tot war. Das war ein hohes Maß an Einsatzbereitschaft.
    2. Diesen Männern fehlte es nicht an Einsatzbereitschaft oder Eifer. Aber ihr Eifer entsprach nicht der Erkenntnis (Römer 10, 2). Eifer und Hingabe allein beweisen nie, dass jemand mit Gott im Einklang ist.
  2. So werdet nun ihr samt dem Hohen Rat bei dem Befehlshaber vorstellig [mit der Bitte], dass er ihn morgen zu euch hinabführen soll, [indem ihr so tut,] als ob ihr seine Sache genauer untersuchen wolltet: Die Attentäter wollten, dass die obersten Priester und Ältesten den römischen Befehlshaber belügen, indem sie vorgaben, sie wollten ein weiteres Treffen mit Paulus.
    1. Ihre Lüge war eine Sünde und die Menschen, die dem Gesetz Gottes verpflichtet sein sollten, versündigten sich stattdessen gerne gegen ihn. Sie waren zwar eifrig, aber dennoch bereit zu lügen und zu sündigen, um ihre vermeintlich göttlichen Ziele zu erreichen.

2. Der Neffe von Paulus erfährt von der Verschwörung und warnt den römischen Befehlshaber

Apostelgeschichte 23, 16-22

Apostelgeschichte 23, 16-22
Als aber der Sohn der Schwester des Paulus von diesem Anschlag hörte, kam er, ging in die Kaserne hinein und berichtete es dem Paulus. Da rief Paulus einen der Hauptleute zu sich und sprach: Führe diesen jungen Mann zu dem Befehlshaber, denn er hat ihm etwas zu berichten! Der nahm ihn und führte ihn zu dem Befehlshaber und sprach: Der Gefangene Paulus rief mich zu sich und bat mich, diesen jungen Mann zu dir zu führen, der dir etwas zu sagen hat. Da nahm ihn der Befehlshaber bei der Hand, ging mit ihm beiseite und fragte ihn: Was hast du mir zu berichten? Und er sprach: Die Juden sind übereingekommen, dich zu bitten, dass du morgen Paulus in den Hohen Rat hinabführen lässt, als ob sie seine Sache noch genauer untersuchen wollten. Lass dich aber nicht von ihnen bereden, denn mehr als 40 Männer von ihnen stellen ihm nach; die haben sich verschworen, weder zu essen noch zu trinken, bis sie ihn umgebracht haben, und jetzt sind sie bereit und warten auf deine Zusage. Da entließ der Befehlshaber den jungen Mann und gebot ihm: Sage niemand, dass du mir dies angezeigt hast!

  1. Als aber der Sohn der Schwester des Paulus von diesem Anschlag hörte: Es war kein Zufall, dass dies geschah. Gott musste Paulus beschützen, weil Jesus ihm versprochen hatte, dass er nach Rom gehen würde, um ihn zu bezeugen (Apostelgeschichte 23, 11).
  2. Der Gefangene Paulus: Paulus hatte kein Verbrechen begangen und dennoch war er ein Gefangener. Da der römische Befehlshaber ihn verdächtigte eine Art Revolutionär zu sein, musste Paulus so lange in Gewahrsam gehalten werden, bis der Sachverhalt geklärt werden konnte.

3. Mit militärischer Begleitung und einem Brief, der seinen Fall an den Statthalter der Provinz übergibt, entkommt Paulus nach Cäsarea

Apostelgeschichte 23, 23-24

Apostelgeschichte 23, 23-24
Und er ließ zwei Hauptleute zu sich rufen und sprach: Haltet 200 Soldaten bereit, dass sie nach Cäsarea ziehen, dazu 70 Reiter und 200 Lanzenträger, von der dritten Stunde der Nacht an; auch soll man Tiere bereitstellen, damit sie Paulus daraufsetzen und ihn sicher zu dem Statthalter Felix bringen!

  1. Haltet 200 Soldaten bereit, dass sie nach Cäsarea ziehen, dazu 70 Reiter und 200 Lanzenträger: 470 ausgebildete römische Soldaten würden Paulus aus Jerusalem hinausbegleiten. Es war, als wolle Gott seine Treue zu Paulus übertreiben und ihm über jeden Zweifel hinweg zeigen, dass die Verheißung von Jesus wahr ist.
  2. Auch soll man Tiere bereitstellen, damit sie Paulus daraufsetzen und ihn sicher zu dem Statthalter Felix bringen: Paulus entkam nicht nur lebend aus Jerusalem, sondern auch auf einem Pferd – tatsächlich wurden Paulus mehrere Tiere zur Verfügung gestellt.

4. Der Brief von Lysias an Felix

Apostelgeschichte 23, 25-30

Apostelgeschichte 23, 25-30
Und er schrieb einen Brief, der folgenden Inhalt hatte:
»Claudius Lysias schickt dem hochedlen Statthalter Felix einen Gruß!
Dieser Mann wurde von den Juden ergriffen, und er sollte von ihnen umgebracht werden; da griff ich mit der Truppe ein und befreite ihn, weil ich erfuhr, dass er ein Römer ist. Da ich aber den Grund ihrer Anklage gegen ihn ermitteln wollte, führte ich ihn in ihren Hohen Rat hinab. Da fand ich, dass er wegen Streitfragen ihres Gesetzes angeklagt wurde, dass aber keine Anklage gegen ihn vorlag, die Tod oder Gefangenschaft verdiente. Da mir aber angezeigt wurde, dass vonseiten der Juden ein Anschlag gegen diesen Mann geplant ist, so habe ich ihn sogleich zu dir geschickt und auch den Klägern befohlen, vor dir zu sagen, was gegen ihn vorliegt. Lebe wohl!«

  1. Und befreite ihn, weil ich erfuhr, dass er ein Römer ist: In seinem Brief deutete Lysias an, dass er von Anfang an von der römischen Staatsbürgerschaft des Paulus wusste, sagte aber nichts über die Art und Weise wie Paulus für das Verhör zweimal gefesselt und beinahe gegeißelt wurde.
  2. Dass aber keine Anklage gegen ihn vorlag, die Tod oder Gefangenschaft verdiente: Für Lukas war dies eine wichtige Zeile in dem Brief. Es kann sein, dass römische Beamte das Buch der Apostelgeschichte schon vor dem Prozess des Paulus vor Cäsar durchgesehen haben. Hiermit zeigte Lukas, dass bereits andere römische Beamte Paulus für ‚nicht schuldig‘ gesprochen hatten.
    1. „Eines der Hauptmotive warum Lukas seine zweiteilige Geschichte schreibt, ist nachzuweisen, dass die Vorwürfe der Staatsgefährdung, die nicht nur gegen Paulus, sondern gegen die Christen im Allgemeinen erhoben wurde, keine Substanz haben und dass kompetente und unparteiische Richter in Bezug auf das römische Recht wiederholt die Unschuld der christlichen Bewegung und der christlichen Missionare bestätigt hatten.“ (Bruce)

5. Paulus kommt in Cäsarea an

Apostelgeschichte 23, 31-33

Apostelgeschichte 23, 31-33
Die Kriegsknechte nun nahmen Paulus, wie ihnen befohlen war, und führten ihn während der Nacht nach Antipatris. Am folgenden Tag aber ließen sie die Reiter mit ihm ziehen und kehrten wieder in die Kaserne zurück. Jene aber übergaben bei ihrer Ankunft in Cäsarea dem Statthalter den Brief und führten ihm auch Paulus vor.

  1. Nahmen Paulus, wie ihnen befohlen war, und führten ihn während der Nacht nach Antipatris: Die 200 Soldaten gingen nur bis nach Antipatris, weil der gefährlichste Teil der Strecke an diesem Punkt endete.
    1. „Bis Antipatris [etwa 40 Kilometer] war das Land gefährlich und von Juden bewohnt; danach war das Land flach und offen, ziemlich ungeeignet für einen Hinterhalt und größtenteils von Nichtjuden bewohnt.“ (Barclay)
  2. Und führten ihm auch Paulus vor: Paulus schaffte es aus Jerusalem heraus und bis an die Küste nach Cäsarea. Der Komplott der 40 Attentäter war gescheitert.
    1. Manche fragen sich ob die Männer, die das Fastengelübde abgelegt haben, gestorben sind, weil sie bei ihrem Auftrag, Paulus zu töten, versagt haben. Dies war wahrscheinlich nicht der Fall. Die alten Rabbiner ließen vier Arten von Gelübden zu, die gebrochen werden durften: „Gelübde der Aufhetzung, Gelübde der Übertreibung, irrtümlich abgelegte Gelübde und Gelübde, die zwangsweise nicht erfüllt werden können“ – alles Ausschlüsse, die fast alle Eventualitäten berücksichtigten. (Longenecker)

6. Paulus wartet in Cäsarea auf seinen Prozess

Apostelgeschichte 23, 34-35

Apostelgeschichte 23, 34-35
Nachdem aber der Statthalter den Brief gelesen hatte und auf die Frage, aus welcher Provinz er sei, erfahren hatte, dass er aus Cilicien stammte, sprach er: Ich will dich verhören, wenn deine Ankläger auch eingetroffen sind! Und er befahl, ihn im Prätorium des Herodes zu bewachen.

  1. Erfahren hatte, dass er aus Cilicien stammte: Vielleicht hoffte Felix, dass Paulus von einem Ort kam, der es erforderlich machte, dass sich jemand anderes seinen Fall anhörte. Als er erfuhr, dass er aus Cilicien stammte, wusste Felix, dass er tatsächlich dafür verantwortlich war, sich seinen Fall anzuhören und über ihn zu entscheiden.
  2. Ich will dich verhören, wenn deine Ankläger auch eingetroffen sind: Dies wäre die erste Gelegenheit für Paulus gewesen mit jemandem auf einer entsprechenden Hierarchieebene (dem Statthalter) zu sprechen. Das war der Anfang der Erfüllung der Verheißung, die Paulus vor etwa 20 Jahren erhalten hatte: dass er den Namen Jesu vor Könige bringen würde (Apostelgeschichte 9, 15).
  3. Und er befahl, ihn im Prätorium des Herodes zu bewachen: Damit begann für Paulus eine zweijährige Gefangenschaft in Cäsarea. Im Anschluss daran verbrachte er mindestens zwei weitere Jahre in Rom. Zusammen mit der Reisezeit verbrachte Paulus seine nächsten fünf Lebensjahre in römischer Haft. Das war ein auffälliger Kontrast zu seinen vorangegangenen Jahren, in denen er spontan und weit umherreiste.
    1. Paulus lebte viele Jahre in großer Freiheit und musste in diesen Jahren auf die Verheißungen Gottes vertrauen. Aber auch in den Jahren der Gefangenschaft musste er auf die Verheißungen von Jesus vertrauen und wusste, dass Gott auch durch diese schwierigeren Umstände ebenso mächtig wirken konnte.
    2. Paulus musste die Verheißungen Jesu – sowohl die Verheißung von vor 20 Jahren als auch die vor kurzem erhaltene Verheißung – mit zuversichtlichem Vertrauen empfangen, damit diese Verheißungen sein Denken und sogar seine Gefühle beeinflussen konnten. Jeder Gläubige muss dasselbe tun.

© 2022 The Enduring Word Bible Commentary by David Guzik.

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