Römer 11 – Die Wiederherstellung Israels

A. Israel und der Überrest der Gnade

1. Hat Gott sein Volk Israel verstoßen (verworfen)?

Römer 11, 1a

Römer 11, 1a
Ich frage nun: Hat Gott etwa sein Volk verstoßen? Das sei ferne!

  1. Hat Gott etwa sein Volk verstoßen? Paulus‘ Frage ergibt an dieser Stelle im Römerbrief Sinn. Wenn die Tatsache, dass Israel das Evangelium abgelehnt hat, irgendwie sowohl mit Gottes ewigem Plan (Römer 9, 1-29) als auch mit Israels eigener Entscheidung (Römer 9, 30-10, 21) übereinstimmt, bedeutet das dann, dass Israels Schicksal besiegelt ist und es keine Möglichkeit der Wiederherstellung gibt?
  2. Das sei ferne! Trotz ihres gegenwärtigen Zustands wird Israel nicht dauerhaft verstoßen. Im folgenden Vers wird Paulus diese Antwort erklären.

2. Der Beweis dafür, dass Gott sein Volk nicht verstoßen hat, ist Paulus selbst

Römer 11, 1b

Römer 11, 1b
Denn auch ich bin ein Israelit, aus dem Samen Abrahams, aus dem Stamm Benjamin.

  1. Denn auch ich bin ein Israelit: Dass Paulus fest daran glaubte, dass Jesus der Messias ist, bewies, dass es einige von Gott auserwählte Juden gab, die das Evangelium annahmen.
  2. Auch ich: Wann immer wir einen Beweis für Gottes Wirken suchen, können und sollen wir zuerst auf unser eigenes Leben schauen. Das hat Paulus getan und das sollten wir auch tun.

3. Das Prinzip des Überrests

Römer 11, 2-5

Römer 11, 2-5
Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er zuvor ersehen hat! Oder wisst ihr nicht, was die Schrift bei Elia sagt, wie er vor Gott gegen Israel auftritt und spricht: »Herr, sie haben deine Propheten getötet und deine Altäre zerstört, und ich bin allein übrig geblieben, und sie trachten mir nach dem Leben!« Aber was sagt ihm die göttliche Antwort? »Ich habe mir 7 000 Männer übrig bleiben lassen, die [ihr] Knie nicht gebeugt haben vor Baal.« So ist nun auch in der jetzigen Zeit ein Überrest vorhanden aufgrund der Gnadenwahl.

  1. Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er zuvor ersehen hat! … So ist nun auch in der jetzigen Zeit ein Überrest vorhanden: Zur Zeit von Paulus lehnte Israel als Volk seinen Messias grundsätzlich ab. Doch ein beträchtlicher Teil von ihnen nimmt das Evangelium von Jesus Christus an. Gott hat in Israel bereits oft durch einen treuen Rest gewirkt (wie zur Zeit von Elia).
    1. „Möglicherweise fühlte Paulus, der ebenfalls von seinen eigenen Landsleuten verfolgt wurde, eine besondere Verbundenheit mit Elia.“ (Harrison)
  2. Oder wisst ihr nicht, was die Schrift bei Elia sagt, wie er vor Gott gegen Israel auftritt: Die Situation war so schlimm, dass Elia gegen sein eigenes Volk gebetet hat!
  3. Herr, sie haben Deine Propheten getötet: Elia dachte, dass Gott die Nation verstoßen hatte und er der Einzige war, der dem Herrn noch diente. Aber Gott zeigte ihm, dass es sehr wohl einen beträchtlichen Überrest gab – und auch wenn es nur ein Überrest war, so war er dennoch da.
  4. So ist nun auch in der jetzigen Zeit ein Überrest vorhanden: Häufig denken wir, dass Gott viele Menschen braucht, um ein großes Werk zu tun, aber er wirkt oft durch eine kleine Gruppe, oder durch eine Gruppe, die klein angefangen hat. Auch wenn nicht viele Juden zur Zeit des Paulus Jesus als Messias annahmen, so tat es doch ein Überrest, und Gott wird diese kleine Gruppe in großem Stil gebrauchen.
    1. „Zur Zeit von Elia war weniger die Zahl als vielmehr die Beständigkeit von Gottes Plan für Israel entscheidend … Er setzte sein Vertrauen auf Gottes Gnade, nicht auf Zahlen.“ (Morris)

4. Gottes Recht, aus Gnade einen Überrest zu wählen

Römer 11, 6-10

Römer 11, 6-10
Wenn aber aus Gnade, so ist es nicht mehr um der Werke willen; sonst ist die Gnade nicht mehr Gnade; wenn aber um der Werke willen, so ist es nicht mehr Gnade, sonst ist das Werk nicht mehr Werk. Wie nun? Was Israel sucht, das hat es nicht erlangt; die Auswahl aber hat es erlangt. Die übrigen dagegen wurden verstockt, wie geschrieben steht:
»Gott hat ihnen einen Geist der Betäubung gegeben, Augen, um nicht zu sehen, und Ohren, um nicht zu hören, bis zum heutigen Tag«.
Und David spricht:
»Ihr Tisch soll ihnen zur Schlinge werden und zum Fallstrick und zum Anstoß und zur Vergeltung; ihre Augen sollen finster werden, dass sie nicht sehen, und ihren Rücken beuge allezeit!«

  1. Wenn aber aus Gnade, so ist es nicht mehr um der Werke willen: Paulus beendete den vorherigen Vers mit der Bemerkung, dass der Überrest aus Gnade erwählt wurde. Nun erinnert er uns daran, was Gnade per Definition ist: das Geschenk Gottes, das nicht mit Blick darauf gegeben wird, was der Empfänger leisten kann, oder wird, sondern nur aus der Güte des Gebers.
  2. Sonst ist die Gnade nicht mehr Gnade: Grundsätzlich passen die Gnade und die Werke nicht zusammen. Wenn etwas aus Gnade geschieht, kann es nicht aus Werken sein, und wenn es aus Werken geschieht, kann es nicht aus Gnade sein.
  3. Was Israel sucht, das hat es nicht erlangt; die Auswahl aber hat es erlangt. Die übrigen dagegen wurden verstockt: Die Auserwählten Israels empfingen die Barmherzigkeit Gottes und reagierten auf sie, aber die anderen wurden verstockt, weil sie sie ablehnten.
  4. Wie geschrieben steht: Die Bibelstellen Jesaja 29 und Psalm 69 zeigen uns, dass Gott einen Geist der Betäubung und Augen geben kann, die nicht sehen, und er kann sagen: ihre Augen sollen finster werden. Wenn Gott in dieser Zeit nur einen Rest Israels erleuchten will, so kann er dies tun, wie es ihm gefällt.
    1. Morris nennt einen Geist der Betäubung „eine leblose Haltung gegenüber geistlichen Dingen“.
    2. „Der Gedanke um den es hier geht, ist Folgender: Menschen sitzen gemütlich bei ihrem Festmahl, und gerade ihr Gefühl der Sicherheit ist ihnen zum Verhängnis geworden. Sie sind von ihrer vermeintlichen Sicherheit so sehr überzeugt, dass der Feind unbemerkt über sie herfallen kann“ (Barclay). Die Juden zur Zeit von Paulus waren sich ihrer Vorstellung, das auserwählte Volk zu sein, so sicher, dass genau diese Ansicht zu dem wurde, was sie ins Verderben stürzte.

B. Gottes Plan, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur einen Überrest zu retten

1. Bedeutet das Straucheln Israels, wie es in Psalm 69 vorhergesagt wird, dass sie dauerhaft gefallen sind?

Römer 11, 11a

Römer 11, 11a
Ich frage nun: Sind sie denn gestrauchelt, damit sie fallen sollten?

  1. Gestrauchelt … fallen: Wie Paulus es hier beschreibt, gibt es einen Unterschied zwischen Straucheln und Fallen. Israel ist gestrauchelt, aber sie würden nicht fallen – in dem Sinne, dass sie aus Gottes Bestimmung und Plan entfernt werden würden. Man kann sich von einem Straucheln erholen, aber wenn man fällt, ist man am Boden.

2. Nein, Gott verfolgte ein bestimmtes Ziel, als er Israel straucheln ließ – damit das Heil zu den Heiden kommen konnte

Römer 11, 11b-14

Römer 11, 11b-14
Das sei ferne! Sondern durch ihren Fall wurde das Heil den Heiden zuteil, um sie zur Eifersucht zu reizen. Wenn aber ihr Fall der Reichtum der Welt und ihr Verlust der Reichtum der Heiden geworden ist, wie viel mehr ihre Fülle! Denn zu euch, den Heiden, rede ich: Weil ich Apostel der Heiden bin, bringe ich meinen Dienst zu Ehren, ob ich irgendwie meine Volksgenossen zur Eifersucht reizen und etliche von ihnen erretten kann.

  1. Das sei ferne! Paulus hat gezeigt, dass Gott auch heute noch durch einen Überrest Israels wirkt, will aber deutlich machen, dass die sündige Mehrheit Israels nicht für immer verloren ist.
  2. Durch ihren Fall … wurde das Heil den Heiden zuteil: In vielen Fällen kam das Evangelium zuerst zu den Heiden, nachdem das jüdische Volk es abgelehnt hatte (Apostelgeschichte 13, 46; 18, 5-6; 28, 25-28). In diesem Sinne wurde die Ablehnung des Evangeliums durch die Juden zum Reichtum der Heiden.
    1. Es war nicht die Tatsache, dass die Juden Jesus als Messias ablehnten, die dazu führte, dass die Heiden gerettet wurden. Dadurch gab es lediglich mehr Möglichkeiten für das Evangelium, zu den Heiden zu gelangen, und viele Heiden nutzten diese Gelegenheit.
  3. Zur Eifersucht reizen: Trotzdem wünscht sich Paulus nicht nur, dass dieser Reichtum nur den Heiden zuteil wird, sondern auch, dass die Juden zu einer guten Art von Eifersucht gereizt werden, die sie dazu motiviert, etwas von den Segnungen zu erhalten, die die Heiden genießen.
    1. „Es ist zutiefst bedauerlich, dass, so wie Israel sich geweigert hat, dieses Heil anzunehmen, als es ihm angeboten wurde, sich die Heiden nur allzu oft geweigert haben, Israel zur Eifersucht zu reizen. Statt dem Volk Gottes die Vorzüge des Christentums aufzuzeigen, haben die Christen die Juden mit Hass, Vorurteilen, Verfolgung, Bosheit und jeglicher Art von Lieblosigkeit behandelt. Christen sollten diese Worte nicht einfach so hinnehmen.“ (Morris)

3. An die Heiden: Ja, die Tatsache, dass die Juden Jesus abgelehnt haben, wurde für euch zum Segen; aber bedenkt, wie groß der Segen sein wird, wenn sie Jesus annehmen

Römer 11, 15-21

Römer 11, 15-21
Denn wenn ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt [zur Folge hatte], was wird ihre Annahme anderes [zur Folge haben] als Leben aus den Toten? Wenn aber die Erstlingsgabe heilig ist, so ist es auch der Teig, und wenn die Wurzel heilig ist, so sind es auch die Zweige. Wenn aber etliche der Zweige ausgebrochen wurden und du als ein wilder Ölzweig unter sie eingepfropft bist und mit Anteil bekommen hast an der Wurzel und der Fettigkeit des Ölbaums, so überhebe dich nicht gegen die Zweige! Überhebst du dich aber, [so bedenke]: Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich! Nun sagst du aber: »Die Zweige sind ausgebrochen worden, damit ich eingepfropft werde«. Ganz recht! Um ihres Unglaubens willen sind sie ausgebrochen worden; du aber stehst durch den Glauben. Sei nicht hochmütig, sondern fürchte dich! Denn wenn Gott die natürlichen Zweige nicht verschont hat, könnte es sonst geschehen, dass er auch dich nicht verschont.

  1. Wenn aber die Erstlingsgabe heilig ist: Die Erstlingsgabe steht wahrscheinlich für die ersten Christen, die jüdischen Ursprungs waren. Ihre Bekehrung war etwas Heiliges und Gutes für die Gemeinde. Schließlich waren alle Apostel und die meisten Autoren der Bücher der Bibel Juden. Wenn die Bekehrung der Erstlingsgabe bereits gut für die Heiden war, wie viel besser wird es sein, wenn die vollständige Ernte eingebracht wird!
    1. Viele Kommentatoren sehen die Erstlingsgabe als die Patriarchen. Es passt aber besser, sie als die ursprüngliche Kerngruppe der Christen zu sehen – die alle jüdischen Ursprungs waren.
  2. Etliche der Zweige … wilder Ölzweig: Mit dem Bild vom Baum und den Zweigen erinnert Paulus die Heidenchristen daran, dass sie nur durch Gottes Gnade in den ‚Baum‘ Gottes eingepflanzt werden konnten – dessen ‚Wurzel‘ Israel ist.
    1. „Wenn ein alter Olivenbaum seine Kraft verloren hatte, schien es in der Antike ein Heilmittel zu sein, die kränkelnden Äste abzuschneiden und einige wilde Oliventriebe einzupfropfen. Das Ergebnis war angeblich die Belebung des kränkelnden Baumes.“ (Morris)
    2. Im jüdischen Talmud wird Ruth, die Moabiterin, als ein ‚göttlicher Spross‘ bezeichnet, der in Israel eingepfropft wurde. (Zitiert von Morris)
  3. Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich! Damit die Heiden nicht denken, dass sie den Juden überlegen sind, erinnert Paulus auch sie daran, dass die Wurzel die Zweige versorgt – nicht umgekehrt.
  4. Um ihres Unglaubens willen sind sie ausgebrochen worden; du aber stehst durch den Glauben: Darüber hinaus ist jeder Heide, der im ‚Baum‘ Gottes steht, nur durch den Glauben dort, nicht durch Werke oder Verdienste. Wenn Heiden ungläubig sind, werden sie genauso ‚abgeschnitten‘, wie das ungläubige Israel.

4. Die Umsetzung von Gottes Absicht durch Israels Verwerfung, die Heiden zu erreichen

Römer 11, 22-24

Römer 11, 22-24
So sieh nun die Güte und die Strenge Gottes; die Strenge gegen die, welche gefallen sind; die Güte aber gegen dich, sofern du bei der Güte bleibst; sonst wirst auch du abgehauen werden! Jene dagegen, wenn sie nicht im Unglauben verharren, werden wieder eingepfropft werden; denn Gott vermag sie wohl wieder einzupfropfen. Denn wenn du aus dem von Natur wilden Ölbaum herausgeschnitten und gegen die Natur in den edlen Ölbaum eingepfropft worden bist, wie viel eher können diese, die natürlichen [Zweige], wieder in ihren eigenen Ölbaum eingepfropft werden!

  1. So sieh nun die Güte und Strenge Gottes: Paulus betont die Notwendigkeit, bei seiner Güte zu bleiben; nicht im Sinne einer Errettung durch Werke, sondern an der Gnade und Güte, die Gott uns entgegenbringt, festzuhalten – eine Beziehung des fortwährenden Verweilens. Dieser Gedanke eines fortwährenden Verweilens im ‚Baum‘ wird auch in Johannes 15, 1-8 ausgedrückt.
    1. „Der Konditionalsatz in diesem Vers, sofern du bei der Güte bleibst, ist eine Erinnerung daran, dass es keine Sicherheit im Band des Evangeliums gibt, wenn man nicht ausharrt. So etwas wie ein Fortbestehen in der Gunst Gottes trotz Abfalls gibt es nicht; Gottes rettende Umarmung und das Ausharren bedingen sich gegenseitig.“ (Murray)
  2. Gott vermag sie wohl wieder einzupfropfen: Und wenn Israel wegen seines Unglaubens ‚abgeschnitten‘ wurde, können sie wieder eingepfropft werden, wenn sie nicht im Unglauben verharren.
    1. „Offenbar waren einige heidnische Gläubige der Ansicht, dass es für Israel keine Zukunft gäbe. Sie hatte das Evangelium abgelehnt und es war nun auf die Heiden übergegangen; Israel war erledigt, zurückgewiesen und verstoßen worden. Gott hatte sie an ihrer Stelle erwählt. Es ist diese Art von Stolz, gegen den Paulus sich wendet.“ (Morris)
  3. Wie viel eher können diese, die natürlichen [Zweige], wieder in ihren eigenen Ölbaum eingepfropft werden! Wenn die Heiden scheinbar leicht in den ‚Baum‘ Gottes ‚eingepfropft‘ werden konnten, so ist es für Gott auch nicht schwer die natürlichen Zweige wieder in den Baum einzupflanzen. Wir können davon ausgehen, dass auch die natürlichen Zweige das Potenzial haben werden, viele Früchte zu tragen.

C. Gottes Plan beinhaltet die letztendliche Wiederherstellung Israels

1. Die Verheißung, dass ganz Israel gerettet wird

Römer 11, 25-27

Römer 11, 25-27
Denn ich will nicht, meine Brüder, dass euch dieses Geheimnis unbekannt bleibt, damit ihr euch nicht selbst für klug haltet: Israel ist zum Teil Verstockung widerfahren, bis die Vollzahl der Heiden eingegangen ist; und so wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht:
»Aus Zion wird der Erlöser kommen und die Gottlosigkeiten von Jakob abwenden, und das ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde«.

  1. Damit ihr euch nicht selbst für klug haltet: Dies ist eine Warnung, das Ganze nüchtern zu betrachten. Christen dürfen dieses Geheimnis nicht ignorieren.
  2. Israel ist zum Teil Verstockung widerfahren: Paulus fasst seinen Standpunkt aus Römer 11, 11-24 zusammen. Gott lässt zu, dass Israel zum Teil Verstockung widerfahren ist damit die Vollzahl der Heiden hinzukommen kann.
    1. Zum Teil bedeutet ‚vorübergehend‘; Israels Verstockung ist vorübergehend. „Eines Tages werden die Juden ihre Blindheit und Torheit erkennen. Sie werden Jesus Christus annehmen, und die glorreiche Wiederherstellung des Volkes wird das Zeitalter des Königreichs einläuten.“ (Smith)
  3. Bis die Vollzahl der Heiden eingegangen ist: Dann wird Gott die Aufmerksamkeit wieder speziell auf Israel richten, so dass ganz Israel gerettet wird. Gottes Plan der Ewigkeit richtet seine Aufmerksamkeit nicht in allen Zeiten gleichermaßen auf alle Menschen.
  4. So wird ganz Israel gerettet werden: Dieses ganze Israel ist kein ‚geistliches Israel‘. In Römer 11, 25 ist nicht das ‚geistliche Israel‘ gemeint, denn dieses Israel ist geistlich blind. Deshalb sollten wir das was in Römer 11, 26 beschrieben wird, nicht als ‚geistliches Israel‘ betrachten.
    1. Es gibt einen Unterschied zwischen dem Land oder dem Volk Israel und dem geistlichen Israel. Paulus macht das in Galater 3, 7 und anderen Stellen deutlich. Dennoch hat Gott weiterhin eine Absicht und einen Plan für das Volk Israel und wird ihnen die Erlösung bringen.
    2. Außerdem wissen wir, dass es sich nicht um das ‚geistliche Israel‘ handeln kann, weil Paulus sagt, dass dieses ein Geheimnis ist – und es ist kein Geheimnis, dass das geistliche Israel gerettet werden wird.
    3. Harrison zu ganz Israel: „Zum Beispiel war es die Ansicht von Calvin, dass die gesamte Schar der Erlösten gemeint ist, sowohl Juden als auch Heiden. Aber Israel wird in diesen Kapiteln nicht für die Heiden verwendet, und es ist zweifelhaft, dass dies in irgendeiner der Schriften von Paulus der Fall ist.“
    4. „Es ist unmöglich, eine Auslegung zu vertreten, die Israel hier in einem anderen Sinn versteht als in Vers 25.“ (Bruce)
  5. Wird gerettet werden: Das macht uns deutlich, dass Gott mit Israel als Land oder als Volk noch nicht fertig ist. Obwohl Gott den Fokus seiner rettenden Barmherzigkeit von Israel im Speziellen auf die Heiden im Allgemeinen gerichtet hat, wird er ihn wieder auf sie richten.
    1. Diese einfache Textstelle widerlegt diejenigen, die darauf bestehen, dass Gott für immer mit Israel als Volk fertig ist und dass die Gemeinde das Neue Israel ist und jede Verheißung erbt, die jemals dem Land und dem Volk Israel des Alten Testaments gegeben wurde.
    2. Wir werden an die Beständigkeit der Verheißungen erinnert, die dem Land und dem Volk Israel gegeben wurden (1. Mose 13, 15 und 17, 7-8). Gott ist mit Israel noch nicht ‚fertig‘, und Israel ist im Gegensatz zur Gemeinde nicht ‚geistlich geworden‘.
    3. Während wir durch alle Zeitalter hindurch eine Kontinuität von Gottes Wirken in seinem Volk sehen und uns darüber freuen, sehen wir auch einen Unterschied zwischen Israel und der Gemeinde – einen Unterschied, den Paulus hier deutlich macht.
  6. So wird ganz Israel gerettet werden: Das bedeutet nicht, dass es eine Zeit geben wird, in der auch der letzte Mensch jüdischer Abstammung gerettet sein wird. Stattdessen ist dies eine Zeit, in der Israel als Ganzes ein gerettetes Volk sein wird und in der die Nation als Ganzes (insbesondere ihre Führung) Jesus Christus als Messias annimmt.
    1. So wie sich der Glaubensabfall Israels nicht auf jeden einzelnen Juden erstreckte, so wird auch die Errettung Israels dies nicht tun; Paulus spricht von der ‚Masse‘ der Juden, wenn er ganz Israel sagt. „Ganz Israel ist ein wiederkehrender Ausdruck in der jüdischen Literatur, wobei er nicht ‚jeder Jude ohne eine einzige Ausnahme‘ bedeuten muss, sondern ‚Israel als Ganzes‘.“ (Bruce)
    2. Und wenn ganz Israel gerettet wird, dann dadurch, dass es Jesus Christus als Messias annimmt – so unwahrscheinlich das auch scheint. Sie werden nicht durch eine besondere ‚jüdische‘ Erlösung gerettet.
    3. Die Bibel weist darauf hin, dass dies eine notwendige Bedingung für die Rückkehr Jesu Christi ist (Matthäus 23, 39, Sacharja 12, 10-11). Jesus wird erst dann wiederkommen, wenn Gott den Fokus seiner rettenden Barmherzigkeit wieder auf Israel richtet und Israel durch Jesus Christus auf Gott reagiert.
  7. Aus Zion wird der Erlöser kommen: Die Zitate aus Jesaja zeigen, dass Gott noch ein Werk der Erlösung mit Israel zu vollbringen hat, und dass es nicht unerledigt bleiben wird.

2. Gottes Liebe und Berufung für Israel besteht weiterhin fort

Römer 11, 28-29

Römer 11, 28-29
Hinsichtlich des Evangeliums sind sie zwar Feinde um euretwillen, hinsichtlich der Auserwählung aber Geliebte um der Väter willen. Denn Gottes Gnadengaben und Berufung können ihn nicht reuen.

  1. Hinsichtlich des Evangeliums … hinsichtlich der Auserwählung: Auch wenn es zu Paulus‘ Zeiten so aussah, als wären die Juden Feinde Gottes und gegen Jesus, so sind sie doch Geliebte – wenn nicht aus einem anderen Grund, so doch um der Väter (der Patriarchen des Alten Testaments) willen.
    1. Natürlich werden sie nicht nur um der Väter willen geliebt, aber das allein würde schon ausreichen.
  2. Denn Gottes Gnadengaben und Berufung können ihn nicht reuen: Das ist ein weiterer Grund, warum Gott das Land und das Volk Israel nicht aufgegeben hat. Dieses von Paulus formulierte Prinzip tröstet uns weit über seine direkte Bedeutung für Israel hinaus. Es bedeutet, dass Gott uns nicht aufgeben wird und er den Weg zur Wiederherstellung offen lässt.

3. Paulus ermahnt die Heidenchristen, sich daran zu erinnern, woher sie kommen und was Gott dem jüdischen Volk verheißen hat

Römer 11, 30-32

Römer 11, 30-32
Denn gleichwie auch ihr einst Gott nicht geglaubt habt, jetzt aber Barmherzigkeit erfahren habt um ihres Unglaubens willen, so haben auch sie jetzt nicht geglaubt um der euch erwiesenen Barmherzigkeit willen, damit auch sie Barmherzigkeit erfahren sollen. Denn Gott hat alle miteinander in den Unglauben verschlossen, damit er sich über alle erbarme.

  1. Denn gleichwie auch ihr einst Gott nicht geglaubt habt: Die Heidenchristen kamen aus dem Ungehorsam; doch Gott erwies ihnen Barmherzigkeit, zum Teil durch den Ungehorsam Israels.
  2. Damit auch sie Barmherzigkeit erfahren sollen: Wenn Gott den Ungehorsam Israels zum Wohle der Heiden gebraucht hat, kann er auch die den Heiden erwiesene Barmherzigkeit zum Wohle Israels gebrauchen.
  3. Gott hat alle miteinander in den Unglauben verschlossen: Der Gedanke hinter dieser Aussage ist, dass Gott sowohl die Juden als auch die Heiden als Gesetzesbrecher inhaftiert hat. Gott bietet diesen Gefangenen auf der Grundlage dessen wer Jesus ist und was er getan hat, Barmherzigkeit an.

4. Gott sei für seinen Plan und dessen Verwirklichung gepriesen

Römer 11, 33-36

Römer 11, 33-36
O welche Tiefe des Reichtums sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Gerichte, und wie unausforschlich seine Wege!
Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Oder wer hat ihm etwas zuvor gegeben, dass es ihm wieder vergolten werde?
Denn von ihm und durch ihn und für ihn sind alle Dinge; ihm sei die Ehre in Ewigkeit! Amen.

  1. O welche Tiefe des Reichtums sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Als Paulus an Gottes großen Plan der Ewigkeit denkt, bricht er in spontanen Jubel aus. Paulus erkennt, dass Gottes Wege nicht zu ergründen sind, und Gottes Weisheit und Erkenntnis ihm zu hoch sind.
    1. Wer hätte das ganze Szenario mit Israel, den Heiden und der Gemeinde so geplant, wie Gott es geplant hat? Jetzt können wir die große Weisheit und das Erbarmen in seinem Plan erkennen.
    2. „Es ist seltsam, dass Menschen, die eine solche Schrift wie diese vor Augen haben, sich gelassen hinsetzen und positiv über Ratschläge und Beschlüsse Gottes schreiben, die von Ewigkeit her gefasst wurden. Sie sprechen mit so viel Zuversicht und Entschlossenheit davon, als ob sie einen Teil des Rates des Allerhöchsten gebildet hätten und am Anfang seiner Wege bei ihm gewesen wären!“ (Clarke)
  2. Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt? Die Zitate aus Jesaja 40, 13 und Hiob 41, 11 betonen sowohl Gottes Weisheit als auch sein souveränes Handeln; niemand kann Gott dazu bringen, ihm etwas zu schulden.
    1. Oder wer hat ihm etwas zuvor gegeben, dass es ihm wieder vergolten werde? Du kannst es versuchen, so oft du willst – aber du wirst Gott nicht dazu bringen, dir etwas zu schulden. Du kannst Gott nicht überbieten. Er wird niemals jemandem eine Schuld zurückzahlen müssen.
  3. Von ihm und durch ihn und für ihn sind alle Dinge: „Alle diese Wörter sind kurz, und leicht zu verstehen. Ein Kind, das gerade lesen lernt, könnte sie leicht buchstabieren. Aber wer soll ihre Bedeutung erschließen?“ (Meyer)
    1. Es ist alles von ihm: Dieser Plan stammt von Gott. Es war nicht die Idee des Menschen. Wir haben nicht gesagt: „Ich habe Gott beleidigt und muss einen Weg zurück zu Ihm finden. Lasst uns an einem Plan arbeiten, um zu Gott zurückzukommen.“ In unserer geistlichen Gleichgültigkeit und unserem Tod haben wir uns nicht um einen Plan gekümmert, und selbst wenn wir uns gekümmert hätten, wären wir nicht klug oder weise genug, um einen zu machen. Es ist alles von ihm.
    2. Es ist alles durch ihn: Selbst wenn wir den Plan hätten, könnten wir ihn nicht in die Tat umsetzen. Wir könnten uns nicht selbst aus diesem Gefängnis der Sünde und des Selbst befreien. Es könnte nur durch ihn geschehen, und das große Werk Jesu in unserem Namen ist die Erlösung, die durch ihn kommt.
    3. Ihm gehört alles: Es ist nicht für mich, es ist nicht für dich, es ist alles für Ihn. Es ist zum Lob der Herrlichkeit seiner Gnade (Epheser 1, 6). Es ist zu seinem Wohlgefallen, dass wir geschaffen wurden, und wir finden unsere Erfüllung darin, Ihm Ruhm und Ehre zu bringen.
  4. Ihm sei die Ehre in Ewigkeit! Die Tatsache, dass Paulus Gott nicht begreifen kann, lässt ihn Gott umso mehr loben. Wenn wir die Größe Gottes einigermaßen verstehen, beten wir ihn umso leidenschaftlicher an.

© 2022 The Enduring Word Bible Commentary by David Guzik.

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