2. Samuel 15 – Absaloms Aufruhr

A. Absaloms betrügerische Machtübernahme

1. Absalom stiehlt die Herzen der Männer von Israel

2. Samuel 15, 1-6

2. Samuel 15, 1-6
Danach aber geschah es, dass Absalom sich Wagen und Pferde verschaffte und 50 Mann, die vor ihm herliefen. Und Absalom machte sich am Morgen früh auf und stellte sich neben dem Torweg auf; und es geschah, wenn jemand einen Rechtsstreit hatte, sodass er zum König vor Gericht kommen musste, so rief ihn Absalom zu sich und fragte ihn: »Aus welcher Stadt bist du?« Antwortete er dann: »Dein Knecht ist aus einem der Stämme Israels«, so sprach Absalom zu ihm: »Siehe, deine Sache ist gut und recht, aber beim König ist niemand, der dir Gehör schenkt!« Und Absalom sprach: O dass man doch mich zum Richter im Land einsetzte, damit jedermann zu mir käme, der einen Rechtsstreit und Rechtshandel hat; ich würde ihm zu seinem Recht verhelfen! Und es geschah, wenn jemand kam, um sich vor ihm niederzuwerfen, so streckte er seine Hand aus, ergriff ihn und küsste ihn. So machte es Absalom mit allen Israeliten, die zum König vor Gericht kamen; und so stahl sich Absalom die Herzen der Männer von Israel.

  1. Dass Absalom sich Wagen und Pferde verschaffte und 50 Mann, die vor ihm herliefen: Das bedeutet, dass Absalom den Wagen nicht wegen dessen Geschwindigkeit brauchte, sondern um einen beeindruckenden Auftritt hinzulegen. Das war der Politiker Absalom, der spürte, was die Leute sehen wollten, und wusste, wie er es ihnen vor Augen führen konnte.
    1. Samuel – der Absaloms Vater salbte – zog nie mit Pferden und Wagen und einem Gefolge umher. Samuel reiste zu Fuß – und als ein Mann unter vielen war Absalom nicht würdig, in einem Atemzug mit Samuel genannt zu werden.
  2. Wenn jemand einen Rechtsstreit hatte, sodass er zum König vor Gericht kommen musste: Die damaligen Könige waren mehr als nur die Regierungschefs, sie waren auch das ‚oberste Gericht‘ ihres Königreichs. Wenn jemand glaubte, dass ein lokales Gericht ihm sein Recht verweigerte, dann wand er sich er an das Gericht des Königs, wo der König oder ein Vertreter des Königs seinen Fall anhörte.
  3. Siehe, deine Sache ist gut und recht, aber beim König ist niemand, der dir Gehör schenkt: Absalom schürte die Unzufriedenheit mit Davids Regierung und führte eine Kampagne gegen David durch, indem er versprach, für Gerechtigkeit zu sorgen, die David dem Volk (angeblich) verweigerte.
  4. O dass man doch mich zum Richter im Land einsetzte … ich würde ihm zu seinem Recht verhelfen: Absalom hatte seine Gründe, unzufrieden mit Davids Rechtsprechung zu sein. Als Amnon Tamar vergewaltigte, tat David nichts. Als Absalom etwas dagegen unternahm, verbannte David Absalom und hielt ihn auch dann noch auf Distanz, als er zurückkam.
  5. Wenn jemand kam, um sich vor ihm niederzuwerfen, so streckte er seine Hand aus, ergriff ihn und küsste ihn: Absalom war geschickt darin, den Anschein von einem ‚Mann des Volkes‘ zu vermitteln. In einer offensichtlichen Zurschaustellung ließ er nicht zu, dass sich andere vor ihm verbeugten, sondern hob sie hoch, schüttelte ihre Hand und umarmte sie.
    1. Aus dem, was wir über Absalom wissen, können wir erahnen, dass er sich in Wirklichkeit überhaupt nicht als ‚Mann des Volkes‘ betrachtete. Er tat regelmäßig so, als stünde er über anderen, und die Gesetze, die für andere galten, galten für ihn nicht. Er wusste, dass er besser aussah, bessere Verbindungen hatte, besser dran war und bessere politische Instinkte besaß als die meisten anderen. Aber diese politischen Instinkte ließen Absalom wissen, dass er den Anschein erwecken musste ein Mann des Volkes zu sein.
    2. Im damaligen Israel waren die Menschen zu leicht vom Schein beeindruckt und zu träge, die Realität hinter dem Schein zu sehen oder zu schätzen. Seit dieser Zeit sind wir all das in noch viel höherem Maße.
    3. „Absalom schien der wahre und unbestrittene Thronfolger zu sein; Es war klar, dass David nicht mehr lange leben würde; und die meisten Menschen sind eher geneigt, die Strahlen der aufgehenden Sonne zu begrüßen, als die der untergehenden zu bejubeln.“ (Clarke)
  6. So stahl sich Absalom die Herzen der Männer von Israel: Absaloms gerissener Feldzug funktionierte. Er wurde beliebter und vertrauenswürdiger als David.
    1. Absalom wusste genau, wie er dies tun konnte
      1. Er erschuf ganz sorgfältig ein aufregendes, verlockendes Bild (Wagen und Pferde und 50 Männer, die vor ihm herliefen).
      2. Er arbeitete hart (Absalom machte sich am Morgen früh auf).
      3. Er wusste, wo er sich positionieren musste (neben dem Torweg).
      4. Er suchte nach Menschen mit Problemen (wenn jemand einen Rechtsstreit hatte).
      5. Er streckte seine Hand nach Menschen aus, die Probleme hatten (so rief ihn Absalom zu sich).
      6. Er nahm ein persönliches Interesse an der beunruhigten Person (Aus welcher Stadt bist du?).
      7. Er zeigte Verständnis für die Person (Siehe, deine Sache ist gut und recht).
      8. Er griff David nie direkt an (aber beim König ist niemand, der dir Gehör schenkt).
      9. Er ließ die beunruhigte Person noch beunruhigter zurück (aber beim König ist niemand, der dir Gehör schenkt).
      10. Ohne David direkt anzugreifen, versprach Absalom, es besser zu machen. (O dass man doch mich zum Richter im Land einsetzte, damit jedermann zu mir käme, der einen Rechtsstreit und Rechtshandel hat; ich würde ihm zu seinem Recht verhelfen.)
    2. Absaloms clevere Herangehensweise machte es ihm möglich, Davids Königreich zu untergraben und zu spalten – ohne eine konkrete Aussage zu machen, für das man ihn hätte kritisieren können. Wenn jemand Einspruch erhob, sagte Absalom einfach: „Sag mir eine konkrete Sache, die ich gesagt oder getan habe.“ Tatsächlich konnte Absalom all dies tun und sagen: „Ich helfe David, mit all dieser Unzufriedenheit fertig zu werden“, während Absalom in Wirklichkeit die Unzufriedenheit noch weiter anheizte.
    3. David war Israels größter König – und Israel wurde unzufrieden mit ihm und ließ einen bösen, unmoralischen Mann ihre Herzen stehlen. Es gibt viele Gründe, warum dies geschah.
      1. David war älter geworden.
      2. Davids Sünden schmälerten sein Ansehen.
      3. Menschen mögen Veränderungen und Absalom war aufregend.
      4. Absalom war sehr geschickt und gerissen.
      5. David musste seine Leiden mittragen und verworfen werden, wie der Sohn Davids später verworfen werden würde.
    4. „Seht einen König, den größten, der je gelebt hat, einen tiefsinnigen Politiker, einen fähigen General, einen tapferen Soldaten, einen Dichter von erhabenstem Genie und Charakter, einen Propheten des höchsten Gottes und den Befreier seines Landes, der von seinem eigenen Sohn aus seinem Herrschaftsgebiet vertrieben und von seinem wankelmütigen Volk verlassen wurde.“ (Clarke)
    5. Wir könnten sagen, dass Absaloms größte Sünde seine Ungeduld war. Absalom „schien dem Thron am nächsten zu stehen; aber seine Sünde war, dass er ihn zu Lebzeiten seines Vaters anstrebte und sich bemühte, ihn zu entthronen, um an seiner Stelle zu sitzen.“ (Clarke)

2. Absalom plant den Umsturz von Davids Königreich

2. Samuel 15, 7-10

2. Samuel 15, 7-10
Und es geschah am Ende von 40 Jahren, da sprach Absalom zu dem König: Ich möchte doch hingehen nach Hebron und mein Gelübde erfüllen, das ich dem HERRN gelobt habe. Dein Knecht hat nämlich ein Gelübde getan, als ich in Geschur in Aram wohnte, das lautete so: Wenn mich der HERR wirklich wieder nach Jerusalem zurückbringt, so will ich dem HERRN dienen! Und der König sprach zu ihm: Geh hin in Frieden! Da machte er sich auf und ging nach Hebron. Und Absalom sandte geheime Boten zu allen Stämmen Israels und ließ sagen: Wenn ihr den Schall des Schopharhornes hört, so sprecht: Absalom ist König geworden in Hebron!

  1. Und es geschah am Ende von 40 Jahren: Möglicherweise bezog sich diese 40 auf das damalige Alter Absaloms, aber einige glauben, dass dies eine geringfügige Verfälschung des Textes ist und dass es, basierend auf den Lesarten in syrischen und arabischen Übersetzungen, Josephus und einigen hebräischen Manuskripten, vier Jahre lauten sollte.
  2. Ich möchte doch hingehen nach Hebron und mein Gelübde erfüllen, das ich dem HERRN gelobt habe: Absalom wurde unter dem Deckmantel der Anbetung zum Verräter. Er wusste, dass ihm der Anschein von Geistlichkeit zugutekommen konnte.
    1. Es ist möglich – vielleicht sogar wahrscheinlich -, dass Absalom all dies mit dem Gefühl tat, geistlich zu sein und nach dem Willen Gottes zu handeln. Menschen in Absaloms Situation betrügen sich oft selbst mit Worten wie diesen: „Herr, du weißt, dass wir eine neue Führung brauchen. Danke, dass du mich für eine solche Zeit wie diese hervorgerufen hast. Führe und segne mich, Herr, während ich mich bemühe, das Beste für dein Volk zu tun.“
    2. Spalterische Menschen sind fast nie der Meinung, dass sie durch das, was sie tun, spalten. Sie sehen sich selbst als Kreuzritter für Gottes gerechte Sache und glauben oder hoffen oft, dass Gottes Hand über ihnen ist. Das ist besonders dann ein Problem, wenn viele nur dann glauben, dass eine Person Menschen oder Gruppen entzweit ist, wenn sie es selbst zugeben.
  3. Geh hin in Frieden: Ironischerweise waren dies die letzten Worte, die David an Absalom richtete. Als Absalom diese hörte, ging er los, um die Verschwörung zum Sturz von Davids Königreich fortzusetzen.
  4. Absalom ist König geworden in Hebron: Absalom vertraute darauf, dass der Großteil Israels dies als Erbfolge und nicht als Verrat ansehen würde.

3. Die Rechtmäßigkeit von Absaloms Herrschaft

2. Samuel 15, 11-12

2. Samuel 15, 11-12
Mit Absalom aber gingen 200 Männer aus Jerusalem, die eingeladen waren und arglos hingingen, ohne von irgendetwas zu wissen. Absalom sandte auch nach Ahitophel, dem Giloniter, dem Ratgeber Davids, und ließ ihn aus seiner Stadt Gilo holen, während er die Opfer schlachtete. Und die Verschwörung wurde stark, und das Volk nahm ständig zu bei Absalom.

  1. Mit Absalom aber gingen 200 Männer aus Jerusalem, die eingeladen waren: Absalom wusste klugerweise, dass er andere brauchte, um seine Regierung zu unterstützen – oder zumindest den Anschein zu erwecken, dass sie sie unterstützen. Er rechnete damit, dass diese 200 Männer, die nicht gegen David waren, zumindest schweigen, und somit den Eindruck erwecken würden, dass sie für Absalom waren.
    1. Wenn die Unschuldigen und Unwissenden unter den Zwiegespaltenen sind, wird ihr Schweigen immer als Zustimmung aufgenommen.
  2. Absalom sandte auch nach Ahitophel, dem Giloniter, dem Ratgeber Davids: Absaloms Regierung gewann an Ansehen, als einer von Davids Top-Beratern auf seine Seite überlief. Das verletzte David zutiefst; er beschrieb seine Gefühle in Psalm 41: Auch mein Freund, dem ich vertraute, der mein Brot aß, hat die Ferse gegen mich erhoben. (Psalm 41, 10).
    1. Ahitophel war für seine Weisheit und seinen klugen Rat bekannt (2. Samuel 16, 23). Selbst weise Männer können sich auf die Seite von Führungspersönlich-keiten stellen, die Unfrieden stiften und Schaden anrichten. In Ahitophels Fall wurde dies wahrscheinlich durch ein Gefühl der persönlichen Verletzung und Bitterkeit ausgelöst, das er aufgrund dessen hegte, was David Ahitophels Enkelin Bathseba angetan hatte (2. Samuel 11, 3 und 23, 34).
  3. Während die Opfer schlachtete: Absalom war darauf bedacht, seine religiösen Gewohnheiten aufrechtzuerhalten, sowohl um des Anscheins willen als auch, weil er so sehr getäuscht war, dass er dachte, Gott wolle ihn segnen.
  4. Und die Verschwörung wurde stark: Sobald einige anfingen, auf Absaloms Seite zu kommen, ermutigte das immer mehr, dazu zu kommen. Der Dynamik der Spaltung wächst, weil andere sich bereits darauf einlassen.

B. David entkommt mit Hilfe seiner treuen Freunde

1. David flieht aus Jerusalem

2. Samuel 15, 13-18

2. Samuel 15, 13-18
Da kam ein Bote und meldete es David und sprach: Das Herz der Männer von Israel hat sich Absalom zugewandt! Da sprach David zu allen seinen Knechten, die bei ihm in Jerusalem waren: Auf, lasst uns fliehen; denn sonst gibt es für uns kein Entkommen vor Absalom! Macht euch rasch auf den Weg, damit er uns nicht plötzlich einholt und Unglück über uns bringt und die Stadt mit der Schärfe des Schwertes schlägt! Da sprachen die Knechte des Königs zum König: Ganz wie unser Herr, der König, will; siehe, hier sind deine Knechte! Und der König zog aus und sein ganzes Haus in seinem Gefolge; doch ließ der König zehn Nebenfrauen zurück, die das Haus hüten sollten. Und der König zog hinaus und alles Volk in seinem Gefolge, und sie stellten sich beim äußersten Haus auf. Und alle Knechte zogen an ihm vorüber, dazu alle Kreter und Pleter; auch alle Gatiter, 600 Mann, die ihm von Gat gefolgt waren, zogen an dem König vorüber.

  1. Auf, lasst uns fliehen; denn sonst gibt es für uns kein Entkommen vor Absalom: David wusste genau, dass Absalom ein rücksichtsloser Mensch war, dem es mehr um Macht wichtiger war als um Prinzipien ging. Er wollte nicht, dass die Stadt Jerusalem zu einem Schlachtfeld wurde (damit er uns nicht plötzlich einholt und Unglück über uns bringt und die Stadt mit der Schärfe des Schwertes schlägt), also floh er aus der Stadt.
  2. Unser Herr, der König … der König … der König: Der Schreiber wollte hier betonen, dass David der König war, und dass trotz des Verrats von Absalom.
  3. Doch ließ der König zehn Nebenfrauen zurück, die das Haus hüten sollten: David dachte – und hatte allen Grund zu der Annahme -, dass diese zehn Nebenfrauen sicher zurückgelassen werden konnten. Er fühlte, dass er jemanden brauchte, der sich um das Haus kümmerte.
    1. Traurigerweise erfahren wir hier auch, dass David mindestens zehn Nebenfrauen hatte. Eine Nebenfrau war im Wesentlichen eine legale Geliebte. Zusätzlich zu Davids vielen Frauen zeigt dies, dass David ein Mann war, der sich ausgiebig seinen Leidenschaften hingab, anstatt sie auf gottgefällige Weise zu zügeln.
  4. Dazu alle Kreter und Pleter: Diese Männer bildeten Davids persönliche Leibwache. Die Gatiter folgten ihm seit der Zeit, als er unter den Philistern lebte (die ihm von Gat gefolgt waren) treu. Diese Männer, die David treu waren, bevor er erfolgreich wurde, blieben auch bei ihm, als sein Erfolg zu schwinden schien.
    1. Es ist bemerkenswert, dass sich in diesem entscheidenden Moment seiner dem Ende zugehenden Regierungszeit, Fremde um David scharten. Noch bemerkenswerter – und tragischer – ist es, dass seine eigenen Landsleute und seine eigene Familie nicht dabei waren.
  5. Und alle Knechte zogen an ihm vorüber: Als David sah, wie diese Prozession Jerusalem verließ und sich in Sicherheit brachte, war er sehr betrübt. Dies spiegelt sich in dem Psalm wider, den David in dieser Zeit schrieb.
    1. David hatte Angst: Mein Herz bebt in mir, und die Schrecken des Todes haben mich überfallen; Furcht und Zittern kommt mich an, und Schauder bedeckt mich. Und ich sprach: O dass ich Flügel hätte wie die Taube; ich würde davonfliegen, bis ich Ruhe fände! Siehe, ich wollte weit weg fliehen, mich in der Wüste aufhalten; ich wollte zu meinem Zufluchtsort eilen vor dem brausenden Wind, vor dem Sturm. (Psalm 55, 5-8)
    2. David setzte sein Vertrauen auf Gott: Ach HERR, wie zahlreich sind meine Feinde! Viele erheben sich gegen mich; viele sagen von meiner Seele: »Sie hat keine Hilfe bei Gott.« Aber du, HERR, bist ein Schild um mich, du bist meine Herrlichkeit und der mein Haupt emporhebt. Ich rufe mit meiner Stimme zum HERRN, und er erhört mich von seinem heiligen Berg. Ich legte mich nieder und schlief; ich bin wieder erwacht, denn der HERR hält mich. (Psalm 3, 2-6)
    3. Die Psalmen 41, 61, 62 und 63 wurden ebenfalls in dieser Zeit geschrieben.

2. Die treuen Freunde Davids

2. Samuel 15, 19-23

2. Samuel 15, 19-23
Aber der König sprach zu Ittai, dem Gatiter: Warum willst auch du mit uns ziehen? Kehre um und bleibe bei dem König! Denn du bist ein Fremdling und sogar aus deinem Heimatort verbannt. Gestern bist du gekommen, und heute sollte ich dich schon mit uns umherirren lassen, da ich hingehen muss, wohin ich kann? Kehre um und führe deine Brüder zurück; dir widerfahre Barmherzigkeit und Treue! Ittai aber antwortete dem König und sprach: So wahr der HERR lebt und so wahr mein Herr, der König, lebt: An dem Ort, an welchem mein Herr und König sein wird — es gehe zum Tod oder zum Leben —, dort soll auch dein Diener sein! Da sprach David zu Ittai: So komm und zieh vorüber! So zog Ittai, der Gatiter, vorüber und alle seine Männer und sein ganzer Tross mit ihm. Und das ganze Land weinte mit lauter Stimme, während alles Volk vorüberzog. Danach überschritt auch der König den Bach Kidron, und das ganze Volk schlug den Weg ein, der zur Wüste führt.

  1. Warum willst auch du mit uns ziehen? Als David die Prozession seiner treuen Anhänger beobachtete, fiel ihm Ittai, der Gatiter auf. David konnte nicht verstehen, warum dieser neu angekommene Ausländer sich so offen zu David bekannte und damit ein großes Risiko einging.
  2. Kehre um und bleibe bei dem König: Indem David Absalom als König bezeichnete, zeigte er, dass er sich nicht an den Thron klammern würde. In diesem Moment schien es, dass Absalom die Nachfolge antreten würde, also nannte David ihn König und überließ es dem Herrn.
  3. So wahr der HERR lebt und so wahr mein Herr, der König, lebt: Ittai meinte David, nicht Absalom. David sagte zu Ittai: „Bleib bei dem König.“ Ittai antwortete ihm: „Genau das habe ich vor – und du bist der König.“
  4. An dem Ort, an welchem mein Herr und König sein wird — es gehe zum Tod oder zum Leben —, dort soll auch dein Diener sein: Ittai war David gegenüber loyal, als es danach aussah, dass es ihn sicherlich etwas kosten würde. Wahre Loyalität zeigt sich erst, wenn es wahrscheinlich ist, dass es seinen Preis hat, loyal zu sein.
    1. „Denkt daran: Je mehr Rebellen es gibt, desto deutlicher müssen wir uns zu unserem König bekennen.“ (Maclaren)
    2. Wir können viel aus Ittais demonstrativer Ergebenheit lernen.
      1. Ittai tat es, als David am Boden lag.
      2. Ittai hat es entschlossen getan.
      3. Ittai tat es freiwillig.
      4. Ittai tat es, nachdem er neu zu David gekommen war.
      5. Ittai tat es öffentlich.
      6. Ittai tat es in dem Bewusstsein, dass das Schicksal Davids zu seinem Schicksal wurde.
    3. „Wenn Ittai, der von der Persönlichkeit und dem Charakter Davids angetan war, obwohl er ein Fremder war, das Gefühl hatte, dass er sich auf Lebenszeit unter seine Fahne stellen könnte – ja, und erklärte, dass er dies an Ort und Stelle tun würde – wie viel mehr können du und ich, wenn wir wissen, was Christus für uns getan hat, wenn wir wissen, was Christus für uns getan hat, und wer er ist und was wir ihm zu verdanken haben, dann können wir ihm in dieser guten Stunde die Treue halten und geloben: ‚So wahr der Herr lebt, wo immer mein Herr und Heiland sein wird, sei es im Tod oder im Leben, da wird auch sein Diener sein.’“ (Spurgeon)
    4. Wir müssen feststellen, dass, wo immer Jesus ist, wir auch sein werden. Er lebt im Himmel, so werden auch wir dort sein. Er ist bei seiner Gemeinde, also werden wir es auch sein. Er ist mit seiner Arbeit beschäftigt, also werden wir es auch sein. Er ist bei den Kindern, also werden wir es auch sein.
  5. Der Weg, der zur Wüste führt: Viele Jahre zuvor verließ David die Sicherheit des Palastes von Saul und lebte als Flüchtling. Diese Jahre in der Wüste bereiteten David darauf vor, König zu werden. Gott sandte David in die Wüste, um das gleiche Werk in seinem Leben fortzusetzen.
    1. „Ah! Wir gehen nicht gern über Kedron. Wie kämpfen wir, wenn es darauf ankommt – gegen Leiden, und besonders gegen Unehre und Verleumdung! Wie viele gab es, die gerne gepilgert wären, aber diese Schande erwies sich als zu viel für sie; sie konnten es nicht ertragen, über den schwarzen Bach Kedron zu gehen, konnten es nicht ertragen, um des Herrn der Herrlichkeit willen verachtet zu werden, sondern kehrten sogar um.“ (Spurgeon)

3. David unterwirft sich der Züchtigung durch Gott

2. Samuel 15, 24-26

2. Samuel 15, 24-26
Und siehe, auch Zadok [war bei ihnen], und alle Leviten mit ihm trugen die Bundeslade Gottes; und sie stellten die Lade Gottes hin; Abjatar aber stieg hinauf, bis das ganze Volk aus der Stadt vollends vorübergezogen war. Aber der König sprach zu Zadok: Bringe die Lade Gottes wieder in die Stadt zurück! Wenn ich Gnade vor dem HERRN finde, so wird er mich zurückbringen, dass ich ihn und seine Wohnung wiedersehen darf; wenn er aber spricht: Ich habe keinen Gefallen an dir! — [siehe,] hier bin ich; er verfahre mit mir, wie es ihm gefällt!

  1. Zadok [war bei ihnen], und alle Leviten mit ihm trugen die Bundeslade Gottes: Die Priester waren David gegenüber loyal, auch wenn es für sie wahrscheinlich den Tod bedeutete, wenn Absalom Erfolg hatte. Es war gut, dass die Männer, die geistlich sensibel für Absaloms Böses und Davids Gutes sein sollten, tatsächlich empfänglich dafür waren.
  2. Bringe die Lade Gottes wieder in die Stadt zurück: David vertraute auf Gott, nicht auf die Bundeslade. Er war bereit, die Lade zurück nach Jerusalem tragen zu lassen und sein Schicksal in Gottes Hände zu legen.
  3. Wenn ich Gnade vor dem HERRN finde, so wird er mich zurückbringen, dass ich ihn und seine Wohnung wiedersehen darf; wenn er aber spricht: Ich habe keinen Gefallen an dir! — [siehe,] hier bin ich; er verfahre mit mir, wie es ihm gefällt: Davids demütiger und zurechtgewiesener Geist bewies, dass er wusste, dass Gott gerecht mit ihm umging. David unterwarf sich Gott mit einer aktiven Geste der Unterwerfung, nicht mit einer passiven.

4. David schickt die Priester zurück, um Informationen zu sammeln

2. Samuel 15, 27-29

2. Samuel 15, 27-29
Und der König sprach zu dem Priester Zadok: Bist du nicht der Seher? Kehre in Frieden wieder in die Stadt zurück und mit dir dein Sohn Achimaaz und Jonathan, der Sohn Abjatars, eure beiden Söhne, mit euch! Siehe, ich will in den Ebenen der Wüste warten, bis Botschaft von euch kommt, um mich zu benachrichtigen. So brachten Zadok und Abjatar die Lade Gottes wieder nach Jerusalem zurück und blieben dort.

  1. Bist du nicht der Seher: David erkannte, dass Zadok ein Prophet war. Ein Mann mit übernatürlicher Einsicht könnte eine wertvolle Informationsquelle für David sein.

5. David auf dem Ölberg

2. Samuel 15, 30

2. Samuel 15, 30
David aber stieg den Ölberg hinauf und weinte, während er hinaufging; er ging aber mit verhülltem Haupt und barfuß; auch von dem ganzen Volk, das bei ihm war, hatte jeder das Haupt verhüllt und ging unter Weinen hinauf.

  1. David aber stieg den Ölberg hinauf: Als Jesus vom letzten Abendmahl zum Garten Gethsemane ging, um zu beten, ging er im Wesentlichen denselben Weg zurück wie David. Sowohl David als auch Jesus litten für die Sünde, aber Jesus litt für unsere Sünden und David litt für seine eigenen.
  2. Und weinte, während er hinaufging; er ging aber mit verhülltem Haupt und barfuß: Dies waren Zeichen der Trauer. David weinte angesichts des Ausmaßes dieser Tragödie für das Volk, für seine Familie und für sich selbst.
    1. Das war keine Mitleidsparty oder bloßer Kummer über die Folgen seiner Sünde. „Das Bewusstsein, dass er seine Strafe verdient hat, macht ihn fertig – er erntet die bittere Frucht der Sünde, die sein ganzes späteres Leben mit Dunkelheit erfüllt hat. Sein Mut und seine Lebensfreude haben ihn verlassen.“ (Maclaren)
    2. „In Anbetracht all dieser Tatsachen ist es fast sicher, dass die Tränen, die David vergoss, als er den Ölberg bestieg, eher Tränen der Demütigung und der Reue waren als Tränen des egozentrischen Bedauerns. Für Absalom gab es keine Entschuldigung, aber David spürte in seinem eigenen Herzen unaufhörlich die Sünde seiner Vergangenheit.“ (Morgan)
    3. Das zeigt, dass David ein erlöster Mann war. Manche würden sagen, dass Gott David leicht davonkommen ließ – dass er die Todesstrafe für Ehebruch und Mord verdiente. Wenn Gott ihm vergab und David diese Strafe ersparte, würde David es sicher einfach wieder tun. Diejenigen, die so denken, verstehen nicht, wie Gnade und Vergebung im Herzen der Erlösten wirken. Davids hatte seine eigene Sünde immer vor Augen – und in einer seltsamen Kombination aus tiefer Dankbarkeit und Entsetzen über seine vergebene Sünde tat David diese Dinge nie wieder.

6. David erfährt, dass Ahithophel zu Absalom übergelaufen ist

2. Samuel 15, 31-37

2. Samuel 15, 31-37
Als man aber David berichtete, dass auch Ahitophel mit Absalom verschworen war, sprach David: HERR, mache doch den Rat Ahitophels zur Torheit! Und es geschah, als David auf die Höhe kam, wo man Gott anzubeten pflegte, siehe, da begegnete ihm Husai, der Architer, mit zerrissenen Kleidern und Erde auf seinem Haupt. Und David sprach zu ihm: Wenn du mit mir hinübergehst, wirst du mir eine Last sein; wenn du aber in die Stadt zurückkehrst und zu Absalom sprichst: »Ich will dein Knecht sein, o König; wie ich bisher der Knecht deines Vaters war, so will ich nun dein Knecht sein« — so kannst du mir den Rat Ahitophels zunichtemachen! Sind nicht die Priester Zadok und Abjatar dort bei dir? So teile nun alles, was du aus dem Haus des Königs erfährst, den Priestern Zadok und Abjatar mit! Siehe, ihre beiden Söhne sind dort bei ihnen: Achimaaz, [der Sohn] Zadoks, und Jonathan, [der Sohn] Abjatars; durch sie könnt ihr mir alles weitergeben, was ihr erfahrt! So begab sich denn Davids Freund Husai in die Stadt; Absalom aber zog in Jerusalem ein.

  1. Mache doch den Rat Ahitophels zur Torheit: David wusste, dass Ahitophel normalerweise ein guter Berater war, aber er betete dafür, dass er Absalom törichte Ratschläge geben würde.
    1. „So geschah es auch: Groß ist die Macht des Gebets, das voller Vertrauen gesprochen wird. Man hörte die Mutter der Königin Schottlands sagen, dass sie die Gebete von John Knox mehr fürchtete als eine Armee von Kämpfern.“ (Trapp)
  2. Und es geschah, als David auf die Höhe kam, wo man Gott anzubeten pflegte: Davids Leben war in Gefahr und er musste fliehen. Dennoch nahm er sich die Zeit, oben auf dem Ölberg innezuhalten, auf Jerusalem und die Stiftshütte zurückzublicken, und anzubeten. David wusste, dass es immer wichtig war Gott anzubeten, und er konnte dies auch dann tun, als die Umstände schlecht waren.
  3. So kannst du mir den Rat Ahitophels zunichtemachen: David schickte seinen anderen Helfer Husai zurück nach Jerusalem, um Ahitophels Ratschlag an Absalom zu vereiteln.
  4. Absalom aber zog in Jerusalem ein: Absalom kam als gerissener, böser Rebell nach Jerusalem. David zog als tapferer, edler Eroberer in Jerusalem ein (2. Samuel 5, 6-7). Jesus zog als ein dienender König in Jerusalem ein (Matthäus 21, 4-10).

© 2023 The Enduring Word Bible Commentary by David Guzik.

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