Richter 19 – Das Verbrechen von Gibea

A. Der Levit und seine Nebenfrau

1. Ein Levit nimmt sich eine Nebenfrau

Richter 19, 1

Richter 19, 1
Zu jener Zeit, als es keinen König in Israel gab, geschah es auch, dass ein levitischer Mann, der sich am äußersten Rand des Berglandes Ephraim aufhielt, eine Nebenfrau aus Bethlehem-Juda nahm.

  1. Als es keinen König in Israel gab: Damit war der Boden für die schreckliche Geschichte in den folgenden Kapiteln bereitet. Dass es keinen König in Israel gab, bedeutete mehr als nur die Abwesenheit eines politischen Monarchen; es bedeutete auch, dass sie sich weigerten, Gottes Führung über sie anzuerkennen.
    1. Was sich im Rest dieses Kapitels entfaltet, ist so widerlich, dass der Kommentator F.B. Meyer empfahl, es nicht zu lesen. Als Kommentar zu diesem ersten Vers schrieb er: „Es wird genügen, über diese Worte nachzudenken, die viermal im Buch vorkommen, ohne weiter in diesem schrecklichen Kapitel zu lesen, das die Tiefen der Verderbtheit zeigt, in die man abseits der Gnade Gottes sinken kann.“
  2. Eine Nebenfrau … nahm: Die Nebenfrau des Leviten wurde rechtlich als seine Partnerin anerkannt, aber sie hatte nicht den gleichen Status im Haus oder in der Gesellschaft wie eine Ehefrau.
    1. So war eine Nebenfrau eine legale Geliebte. Viele prominente Männer im Alten Testament hatten Nebenfrauen. Beispiele sind Abraham (1. Mose 25, 6), Jakob (1. Mose 35, 22), Kaleb (1. Chronik 2, 46), Saul (2. Samuel 3, 7), David (2. Samuel 5, 13), Salomo (1. Könige 11, 3 – 300 Konkubinen) und Rehabeam (2. Chronik 11, 21). Bedeutender weise erleben wir diese Art von Familienleben nie als von Gott gesegnet.
    2. Das Neue Testament macht deutlich, dass es von Anfang an Gottes Plan war, dass ein Mann und eine Frau für immer ein Fleisch sein sollten (Matthäus 19, 4-6), und jeder Mann soll ein ‚Eine-Frau-Mann‘ sein (1. Timotheus 3, 2).

2. Der Levit versöhnt sich mit seiner Nebenfrau, nachdem sie Ehebruch begangen hat

Richter 19, 2-4

Richter 19, 2-4
Diese Nebenfrau aber beging Hurerei gegen ihn und lief von ihm fort in das Haus ihres Vaters, nach Bethlehem-Juda, und blieb dort volle vier Monate lang. Da machte sich ihr Mann auf und ging ihr nach, um zu ihrem Herzen zu reden und sie wieder zurückzubringen; und er hatte seinen Knecht und ein Paar Esel bei sich. Und sie führte ihn in das Haus ihres Vaters. Als ihn aber der Vater der jungen Frau sah, empfing er ihn mit Freuden. Und sein Schwiegervater, der Vater der jungen Frau, hielt ihn zurück; und er blieb drei Tage lang bei ihm, und sie aßen und tranken und übernachteten dort.

  1. Ging ihr nach, um zu ihrem Herzen zu reden und sie wieder zurückzubringen: Hier war der Levit ein Beispiel dafür, wie sich ein gekränkter Ehepartner verhalten sollte, wenn es zum Ehebruch kommt. Obwohl sie das Band zwischen ihnen brach, arbeitete er hart daran, die Beziehung wieder zusammenzubringen, und es gelang ihm.
    1. Jesus sagte uns, dass bei Ehebruch niemals die Scheidung geboten ist (Matthäus 19:8). Wenn ein Partner in der Ehe durch Ehebruch gesündigt hat, sollte er trotzdem daran arbeiten, dass die Ehe überlebt und gelingt, und zwar nach besten Kräften.
  2. Als ihn aber der Vater der jungen Frau sah, empfing er ihn mit Freuden: Vielleicht war der Vater froh, den Leviten und seine Tochter wieder zusammen zu sehen, oder vielleicht war der Vater einfach froh, seine Tochter wieder aus dem Haus zu haben.

3. Der Vater der Nebenfrau verlängert den Besuch, indem er eine traditionell großzügige Gastfreundschaft zeigt

Richter 19, 5-10

Richter 19, 5-10
Am vierten Tag aber standen sie früh auf, und er erhob sich, um zu gehen. Da sprach der Vater der jungen Frau zu seinem Schwiegersohn: Stärke dein Herz mit einem Bissen Brot; danach könnt ihr ziehen! Und sie setzten sich und aßen beide miteinander und tranken. Da sprach der Vater der jungen Frau zu dem Mann: Lass es dir doch gefallen und bleibe über Nacht und lass dein Herz guter Dinge sein! Doch der Mann stand auf und wollte gehen. Aber sein Schwiegervater nötigte ihn, sodass er noch einmal dort über Nacht blieb. Am Morgen des fünften Tages machte er sich auf und wollte weiterziehen. Da sprach der Vater der jungen Frau: Stärke doch dein Herz! Und sie verweilten, bis sich der Tag neigte, während sie beide miteinander aßen. Danach machte sich der Mann auf und wollte mit seiner Nebenfrau und mit seinem Knecht weiterziehen; aber sein Schwiegervater, der Vater der jungen Frau, sprach zu ihm: Siehe doch, der Tag nimmt ab, und es will Abend werden. Bleibt doch hier über Nacht; siehe, der Tag neigt sich; bleibt hier über Nacht, und lass dein Herz guter Dinge sein! Dann macht euch morgen früh auf den Weg, dass du nach Hause kommst! Aber der Mann wollte nicht über Nacht bleiben, sondern machte sich auf und zog hin und kam bis vor Jebus, das ist Jerusalem; und seine beiden gesattelten Esel und seine Nebenfrau waren bei ihm.

  1. Am vierten Tag aber: Dieser Abschnitt erklärt, warum der Levit und seine Nebenfrau in Bethlehem im Haus des Vaters der Nebenfrau aufgehalten wurden. Er wollte am vierten Tag abreisen, wurde aber überredet, noch eine Nacht zu bleiben.
  2. Sie verweilten, bis sich der Tag neigte: Das erklärt, warum sie spät am Tag aufbrachen und nicht früh am Morgen, was normalerweise eine vernünftigere Zeit wäre, um eine lange Reise anzutreten.

4. Auf dem Heimweg beschließen der Levit und die Nebenfrau die Nacht in Gibea zu verbringen

Richter 19, 11-15

Richter 19, 11-15
Als sie nun in die Nähe von Jebus kamen, war der Tag fast verstrichen. Und der Bursche sprach zu seinem Herrn: Komm doch und lass uns in diese Stadt der Jebusiter einkehren und darin übernachten! Aber sein Herr sprach zu ihm: Wir wollen nicht in eine Stadt der Fremden einkehren, die nicht zu den Kindern Israels gehört, sondern wollen nach Gibea hinübergehen! Und er sprach zu seinem Burschen: Komm, wir wollen in einer dieser Ortschaften einkehren und über Nacht bleiben, in Gibea oder in Rama! So zogen sie weiter, und die Sonne ging unter gerade bei Gibea, das zu Benjamin gehört. So kehrten sie denn dort ein, um in Gibea zu übernachten. Als er aber hineinkam, setzte er sich auf dem Platz der Stadt; aber da war niemand, der sie zum Übernachten in sein Haus aufgenommen hätte.

  1. Wir wollen nicht in eine Stadt der Fremden einkehren: Der Levit und seine Nebenfrau hielten eine heidnische Stadt für zu gefährlich. Deshalb zogen sie weiter nach Gibea, einer Stadt Israels, weil sie dachten, dort wären sie sicherer.
  2. Aber da war niemand, der sie zum Übernachten in sein Haus aufgenommen hätte: Der Levit und seine Nebenfrau fanden in Gibea keine Gastfreundschaft. Das wirft ein schlechtes Licht auf die Leute von Gibea, denn Gott hat eine solche Gastfreundschaft unter dem Volk Gottes geboten (3. Mose 19, 33-34, 3. Mose 25, 35, Matthäus 25, 35, Hebräer 13, 2). Es liegt etwas im Argen, wenn es keine solche Gastfreundschaft unter Gottes Volk gibt.

5. Schließlich findet sie ein anderer Ephraimit und gewährt ihnen Gastfreundschaft

Richter 19, 16-21

Richter 19, 16-21
Doch siehe, da kam ein alter Mann am Abend von seiner Arbeit vom Feld, der war auch vom Bergland Ephraim und ein Fremdling in Gibea; aber die Leute des Ortes waren Benjaminiter. Als er nun seine Augen erhob und den Wanderer auf dem Platz der Stadt sah, sprach er zu ihm: Wo gehst du hin, und wo kommst du her? Er aber antwortete ihm: Wir reisen von Bethlehem-Juda nach dem äußersten Rand des Berglandes Ephraim, von wo ich her bin. Ich war nach Bethlehem-Juda gezogen und ziehe jetzt zum Haus des HERRN, und niemand will mich in sein Haus aufnehmen! Wir haben Stroh und Futter für unsere Esel, und Brot und Wein für mich und deine Magd und für den Knecht, der mit deinen Dienern ist, sodass uns nichts mangelt. Der alte Mann sprach: Friede sei mit dir! Alles, was dir mangelt, findest du bei mir; bleibe nur nicht über Nacht auf dem Platz! Und er führte ihn in sein Haus und gab den Eseln Futter; und sie wuschen ihre Füße, aßen und tranken.

  1. Der war auch vom Bergland Ephraim: Der einzige, der den Leviten und seine Nebenfrau bewirtete, war ein Mann aus ihrer eigenen Gegend. Keiner der Einheimischen von Gibea kümmerte sich um die Fremden in ihrer Mitte.
  2. Ziehe jetzt zum Haus des Herrn: Wir erinnern uns, dass das Haus des Herrn nicht in Jerusalem war, sondern in Silo (Richter 18, 31).

B. Das Verbrechen von Gibea

1. Ihre perverse Forderung

Richter 19, 22

Richter 19, 22
Und als ihr Herz guter Dinge war, siehe, da umstellten Männer der Stadt, Söhne Belials, das Haus und schlugen an die Tür und sprachen zu dem alten Mann, dem Hausherrn: Bring den Mann heraus, der in dein Haus gekommen ist, damit wir uns über ihn hermachen!

  1. Sie umstellten … das Haus und schlugen an die Tür: Die Verbform des Begriffs „an die Tür schlagen“ deutet darauf hin, dass immer lauter an die Tür geklopft wurde. Dies war keineswegs eine höfliche oder beiläufige Aufforderung.
  2. Bring den Mann heraus, der in dein Haus gekommen ist, damit wir uns über ihn hermachen: Ihre Bitte war die gleiche wie die der Homosexuellen, die das Haus von Lot in Sodom umgaben (1. Mose 19, 5). Die Situation ist eindeutig: Während der Zeit der Richter war Israel so schlimm wie Sodom und Gomorra.

2. Die Boshaftigkeit und Perversion der Männer von Gibea

Richter 19, 23-26

Richter 19, 23-26
Aber der Mann, der Hausherr, ging zu ihnen hinaus und sprach zu ihnen: Nicht doch, meine Brüder! Tut doch nicht so etwas Böses, nachdem dieser Mann in mein Haus gekommen ist. Begeht doch keine solche Schandtat! Siehe, ich habe eine Tochter, die noch eine Jungfrau ist, und dieser hat eine Nebenfrau; diese will ich euch herausbringen; die mögt ihr schwächen und mit ihnen tun, was euch gefällt; aber an diesem Mann begeht keine solche Schandtat! Aber die Leute wollten nicht auf ihn hören. Da ergriff der Mann seine Nebenfrau und brachte sie zu ihnen hinaus auf die Straße; und sie machten sich über sie her und misshandelten sie die ganze Nacht bis an den Morgen und ließen sie erst los, als die Morgenröte anbrach. Da kam die Frau am Morgen früh und fiel nieder vor der Tür am Haus des Mannes, wo ihr Herr war, und lag dort, bis es hell wurde.

  1. Da ergriff der Mann seine Nebenfrau und brachte sie zu ihnen hinaus: Obwohl die perversen Männer von Gibea eindeutig schuldig waren, waren es auch der Levit und der Hausherr. Sie hätten eindeutig bereit sein müssen, sich vor ihren Töchtern und Gefährtinnen zu opfern.
    1. Jede Person in diesem schmutzigen Drama war schuldig, außer natürlich die Nebenfrau selbst.
      1. Die bösen Männer von Gibea, die eher den Männern von Sodom und Gomorrha glichen als den Männern von Israel.
      2. Der Herr des Hauses, der bereit war, seine eigene Tochter zu opfern.
      3. Der Levit, dem seine Nebenfrau nichts bedeutete.
  2. Und sie machten sich über sie her und misshandelten sie: Bei der Beschreibung der vollen Bedeutung des hebräischen Originals hat Adam Clarke aus Anstand die Bedeutung nicht ins Englische übersetzt. Er beließ es im Lateinischen, damit nur die Gelehrten die volle Tragweite der Bosheit und Perversion der Männer von Gibea verstehen konnten.
    1. „Man kann leicht verstehen, warum die Nebenfrau ihren Mann ursprünglich verlassen hatte. Sie wurde praktisch geopfert, um seine Haut zu retten, während die Männer sie die ganze Nacht sexuell missbrauchten.“ (Wolf)
    2. Clarke über die sündigen Männer von Gibea: „Schurken und Missetäter von tiefstem Ausmaß; schlimmer als Bestien, da sie eine untrennbare Mischung aus Tier und Teufel sind.“
    3. Noch Jahrhunderte später erinnerte sich Israel an dieses Verbrechen zu Gibea und benutzte es als Beispiel für Bosheit. In tiefe Verderbnis sind sie versunken, wie vor Zeiten in Gibea (Hosea 9, 9); Seit den Tagen von Gibea hast du gesündigt, Israel (Hosea 10, 9).

3. Der Levit entdeckt seine tote Nebenfrau und erhebt einen Aufruf zum nationalen Gericht

Richter 19, 27-30

Richter 19, 27-30
Als nun ihr Herr am Morgen aufstand und die Tür des Hauses öffnete und hinausging, um seines Weges zu ziehen, siehe, da lag seine Nebenfrau vor der Tür des Hauses mit den Händen auf der Schwelle. Er aber sprach zu ihr: Steh auf, wir wollen gehen! Aber da war keine Antwort. Da nahm er sie auf den Esel, machte sich auf und zog an seinen Ort. Als er heimkam, nahm er ein Messer und ergriff seine Nebenfrau und zerschnitt sie Glied für Glied in zwölf Stücke und sandte sie in das ganze Gebiet Israels. Und alle, die es sahen, sprachen: So etwas ist nicht geschehen noch gesehen worden, seit der Zeit, da die Kinder Israels aus dem Land Ägypten gezogen sind bis zu diesem Tag! Nun denkt darüber nach, beratet und sprecht euch aus!

  1. Steh auf, wir wollen gehen: Dies ist eine schmerzlich klare Demonstration der Herzlosigkeit des Leviten gegenüber seiner Nebenfrau.
  2. Er zerschnitt sie Glied für Glied in zwölf Stücke und sandte sie in das ganze Gebiet Israels: Das war eine offensichtlich groteske Art, eine Botschaft zu überbringen, aber die Methode funktionierte. Es war tragisch, dass der Levit diese tiefe Sorge um die Gerechtigkeit nicht früher zeigte.

© 2023 The Enduring Word Bible Commentary by David Guzik.

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